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Stück um so leichter. Wozu viel Worte über solche Musik? Die Grazie zu zerlegen, das Mondlicht wiegen zu wollen, was nützt es! Wer Dichters Sprache versteht, wird auch diese verstehen, und wenn neulich irgendwo von Jena aus berichtet wurde, es fehle dem Mendelssohn’schen Phantasieschwung zuweilen an der rechten Höhe, — ei so häng’ dich auf, Liederknirps von Jena,[H 1] wenn dir die schöne Erde zu niedrig vorkömmt.

Das Concert von Bennett hab’ ich leider nicht von ihm selbst gehört, wie überhaupt nicht mit Orchester. Mein Ausspruch sagt und lobt daher vielleicht eher zu wenig, als zu viel. Vielleicht, daß Bennett die Orchesterparthieen noch öfter hätte andeuten, oder auch sie dem Clavierspieler mitspielbar machen können. Die Componisten, die ihr Werk im Kopfe haben, verlangen hier meistens zu viel, und Spieler, die die fehlenden Instrumente etwa durch Mitsingen ersetzen könnten, gibt es eben auch wenige. Die Form des Concerts ist die alte dreisätzige, die Tonart F moll, der Charakter zum Ernst geneigt, nicht düster. Eine freundliche Barcarole leitet den ersten Satz zum letzten; sie namentlich hat, wie ich höre, dem Concerte die Herzen gewonnen, als es der Componist hier in Leipzig spielte. Im andern Sinne, als der Witz von andern Componisten behauptet, spielt das Wasser in Bennett’s Compositionen eine Hauptrolle, als ob sich auch hierin der Engländer nicht verläugnen könnte. Seinen gelungensten Werken: der Ouverture zu den Najaden, den meisterhändigen Skizzen

Anmerkungen (H)

  1. [WS] Carl Banck. [GJ] Der Ausdruck im Text verlangt eine Erläuterung. C. Banck kam 1834 nach Leipzig, etwa zwei Monate nach Begründung der neuen Zeitschrift, deren Mitarbeiter er wurde. Er schrieb für sie Skizzen aus Italien etc., vorwiegend aber Kritiken über Gesangsachen und Opern. Im Ganzen hat Banck 65 Beiträge (darunter fünf Selbstkritiken) geliefert, davon sind 31 mit der Ziffer „6“, 21 mit „16“, 4 mit „26“, 5 mit „Serpentinus“, 2 mit „C.—k.“ und nur 2 mit dem vollen Namen „Carl Banck“ gezeichnet. Bei 6 kürzeren, mit „B.“ gezeichneten Recensionen halte ich es für zweifelhaft, ob sie Banck oder Gustav Bergen zuzuschreiben sind. Mai 1836 hörte die Mitarbeiterschaft an Schumanns Zeitschrift auf und zwar — nach Bancks eigener Angabe — weil er sah, „daß das Institut unfähig sei, die nöthige wirkungsvolle Stellung zu erreichen, theils durch Zeitverhältnisse, theils durch innere Schwäche der Führung gehemmt.“ So heißt es in dem biographischen Aufsatz über Banck in O. L. B. Wolffs „Portraits und Genrebildern“ (Cassel und Leipzig 1839) 2. Bd., S. 260. Schumanns „schwacher“ Redactionsführung gegenüber gab Banck 1839 sogar den Musikzeitungen von Fink und Schilling den Vorzug. Wolffs Aufsatz (der theilweise „fast ganz mit Bancks Worten“ niedergeschrieben wurde) weist S. 247 [520] darauf hin, daß die musikalische Kritik auch bezüglich Bancks bewiesen, wie wenig sie sich „bei der Charakteristik hervorragender Persönlichkeiten“ auf den richtigen Standpunct zu schwingen wisse. Banck werde fälschlicherweise „der neusten romantischen Richtung zugezählt“, da man eben „Namen von gutem Klange an der Spitze haben wolle“, allein „auch Chopin und Henselt hätten sich Gleiches gefallen lassen müssen.“ — Banck nahm seit seinem Weggange von Leipzig Anfang 1836, eine mehr und mehr feindliche Stellung zu Schumann und seiner Zeitung ein, und als vom Jahre 1838 an in allen möglichen belletristischen und politischen Blättern anonyme und pseudonyme Artikel auftauchten, die in der Schmähung der „romantischen“ oder „neuromantischen Schule“ (d. h. Schumanns und der neuen Zeitschrift) auffällig übereinstimmten, da war Schumann nicht in Zweifel darüber, daß die meisten derselben direct oder indirect von Banck ausgingen. In einigen der anonymen Angriffe ist Banck kaum zu verkennen. In einem Aufsatz „Standpunct der musikalischen Kritik“ (Hamburger Corresp. v. 9. Jan. 1839) wurde gesagt, daß die musikal. Zeitungen „ihr mühsam karges Leben ohne Einfluß hinschleppen, theilweise mit gutem Willen, aber durchgängig mit einem wunderbaren Mangel an Kräften geführt“. Insbesondere sollte Schumanns Zeitschrift, „welche mit frischen jugendlichen Kräften und einer zeitgemäßen, scharf markirten und wenigstens höchst anregenden Richtung auftrat“, hernach „durch unsichere Redactionsführung Geist und Haltung verloren und die gehegten Erwartungen rasch getäuscht haben.“ Schließlich wurde bedauert, daß „die deutschen Componisten von Bedeutung“ dem verworrenen und verwirrenden Treiben der musikalischen Kritik unthätig zusähen, und daß „manche derselben, z. B. C. Banck, die schon früher ihre große kritische Fähigkeit bewiesen, sich ganz davon zurückgezogen haben.“ — Die anonymen Zeitungsartikel versicherten wiederholt, daß weder Banck, noch „sein Freund Henselt“ der neuromantischen Schule angehöre etc. Die verschiedensten nicht-musikalischen Blätter der letzten dreißiger Jahre brachten Variationen über dieses Thema, lobende Anzeigen (auch Selbstkritiken) Banckscher Lieder, Zusammenstellungen der bemerkenswerthesten neuerschienenen Musikwerke, worin Bancksche Lieder aufgezählt, Schumanns Compositionen aber todtgeschwiegen wurden. (Nürnberger Corresp. 1839. Vgl. Anmerk. 4.) Schumann scheint zu Entgegnungen erst gedrängt worden zu sein, als Banck sich auch der Bundesgenossenschaft Schillings zu erfreuen hatte. Mehrere ironische Notizen finden sich in der Zeitschrift von 1840 (XII, S. 28, 36, 44 u. 48 Google). Der „Liederknirps von Jena“ mag Bancks Selbstbewußsein am empfindlichsten getroffen haben. Zwei Jahre später zog Schumann Banck noch einmal vor sein Forum und zwar in einer unbarmherzigen Kritik seiner „Marienlieder“ (s. S. 377 Commons). Welche besondere Veranlassung Schumann zu solchem Zorn gereizt haben mag, habe ich nicht ermitteln können. Mit dieser Abfertigung scheint wiederum eine im Hamburger Corresp. vom 18. Jan. 1843 abgedruckte anonyme Correspondenz aus Dresden im Zusammenhang zu stehen, die indeß eine Beantwortung seitens Schumanns nicht gefunden hat und nicht finden konnte. Der gallige Artikel liegt zu weit jenseits der Linie des Anständigen, um hier mitgetheilt werden zu können. — Hatte Banck während der Zeit seiner Mitarbeiterschaft an der Zeitschrift Schumanns Thätigkeit günstig beurtheilt, so änderte sich das, nachdem die beiden so grundverschiedenen Männer in eine feindliche Stellung zu einander gerathen waren. Bancks Geringschätzung Schumanns hat sich auch in den nächstfolgenden Jahren schwerlich geändert, wenigstens ist in seiner Abhandlung „Zur Betrachtung der musikal. Kunstzustände [521] in der Gegenwart“ (A. Schweglers „Jahrbücher der Gegenwart“, 1846, S. 771 und 983 Google) davon nichts zu bemerken. Wenn Banck darin beklagt, daß „in Deutschland verkehrte und verflachende Richtungen in der Musik periodisch einen erschreckenden Fortgang gewinnen“, so hätte es nahegelegen, dem gegenüber wenigstens mit einem Wort auf Mendelssohn und Schumann hinzuweisen, falls er dem Wirken derselben überhaupt eine besondere Bedeutung beimaß. — Das persönliche Verhältniß Bancks und Schumanns zu einander war und blieb zerstört, wurde auch in Dresden nicht wiederhergestellt. Wenn Erler (II, 44 Commons) sagt, daß Schumann „später [d. h. 1848, nachdem er fast vier Jahre schon in Dresden gewohnt] sein Unrecht eingesehen und zuerst die Hand bot“, so ist das letztere richtig, das erstere zum mindesten unerwiesen. Der von Erler mitgetheilte Brief Schumanns an Banck (— ohne Anrede und mit dem kühlen „Ihr ergebener“ —) überzeugt nicht, namentlich der Schluß: die Einladung zur Faustprobe als eine Privatsache zu betrachten „zugleich aber auch als einen Anfang der Wiederherstellung des früheren geselligen [!] Verhältnisses zwischen uns, das aufzuheben weder mir noch vielleicht Ihnen selbst in den Sinn gekommen — so will ich es wenigstens glauben.“ Das klingt nicht wie ein Zugeständniß begangenen Unrechts gegen den ehemaligen Genossen. Eher wird man annehmen dürfen, daß Schumann von außen her veranlaßt wurde, die Hand zum Frieden zu bieten. — Beiläufig sei noch bezüglich ungenauer Zeitangaben über Bancks Aufenthalt in Italien berichtigend bemerkt, daß Banck schon im Juli 1830 nach Italien ging. Sein Versuch einer Annäherung an Mendelssohn muß wenig ermunternd ausgefallen sein, wie man nach Mendelssohns Brief (Rom, d. 23. Nov. 1830 Google) annehmen muß, der nicht gerade sehr erfreut berichtet, daß „B.“ (Banck) ihm „ein ganzes Liederheft und ein Ave Maria“ vorgespielt habe. Hieraus bezieht sich, was Banck unterm 26. Jan. 1836 an Hofmeister schrieb: „Ich merke, daß mit Mendelssohn das Kunstleben dort (in Leipzig) unangenehm verändert ist, und daß ich Recht hatte, mich ihm immer drei Schritte, noch von früherer Erfahrung her, entfernt zu halten, — auch hier [in Berlin] höre ich nichts Liebenswürdiges über ihn.“ —
    Diese ausführliche Anmerkung erschien nothwendig, um Bancks Stellung zu Schumann etwas näher zu beleuchten, weil Banck eine der Hauptquellen für Wasielewskis Schumann-Biographie geworden ist. (Vgl. Anmerk. 10 am Schluß.) Anmerkung 45, II.519–521 Commons