Seite:Gesammelte Schriften über Musik und Musiker Bd.3 (1854).pdf/66

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Klage gehört. Sie haben etwas Recht; Gelegenheit, die Bravour zu zeigen durch Neuheit und Glanz der Passagen soll vom Concerte nicht ausgeschlossen bleiben. Musik aber steht über Alles, und der uns diese immer und am reichsten gibt, dem gebührt auch immer unser höchstes Lob. Musik aber ist der Ausfluß eines schönen Gemüthes; unbekümmert ob es im Angesicht von Hunderten, ob es für sich im Stillen fluthet; immer aber sei es das schöne Gemüth, das sich ausspreche. Daher wirken auch Mendelssohn’s Compositionen so unwiderstehlich, wenn er sie selbst spielt; die Finger sind nur Träger, die eben so gut verdeckt sein könnten; das Ohr soll allein aufnehmen und das Herz dann entscheiden. Ich denke mir oft, Mozart müßte so gespielt haben. Gebührt Mendelssohn so das Lob, daß er uns immer solche Musik zu hören gibt, so wollen wir deshalb gar nicht läugnen, daß er es oft in einem Werke flüchtiger, in dem andern nachdrücklicher thut. So gehört auch dies Concert zu seinen flüchtigsten Erzeugnissen. Ich müßte mich sehr irren, wenn er es nicht in wenig Tagen, vielleicht Stunden geschrieben. Es ist als wenn man an einem Baum schüttelt, die reife, süße Frucht fällt ohne Weiteres herab. Man wird fragen, wie es sich zu seinem ersten Concert verhalte. Es ist dasselbe, und nicht dasselbe; dasselbe ist es, weil es von einem ausgelernten Meister, nicht dasselbe, weil es zehn Jahre später geschrieben ist. Sebastian Bach sieht an der Harmonieführung hier und da heraus. Melodie, Form, Instrumentation