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verlangte man von ihm, daß er schwöre für seine Unschuld, und er hatte sich doch oft nicht überzeugt, daß der Vetter seine Unschuld bewiesen (wenigstens war es später Pflicht, zu schwören, als sich die Geschlechter durch Bundbriefe vereinigt); oder der Aufgeforderte mußte aus seinen eigenen Gütern den Schaden bessern. Doch lag es sehr nahe, daß die Geistlichkeit fortwährend diesen Geschlechtsverbindungen sich sehr widersetzte und es sich später zum großen Ruhm anrechnete, dieselben vernichtet zu haben. Doch nicht allein das Geschlecht nahm den dithmarsischen Bauer in Anspruch; es konnte sein, daß sein Kirchspiel in gerichtliche Händel verwickelt wurde, und daß unter den Kirchspielsschwörern er ausgewählt ward; denn zwölf Eide gehörten dazu, daß ein Volleid geleistet werde. Am stärksten giebt sich kund, welch ein Gewebe von Ansprüchen dieser Art den einzelnen Dithmarscher umgab, aus folgendem Beispiel: es ist ein Bauer in Dithmarschen erschlagen worden; das Geschlecht, das ihn verloren hat, will diesen Mord gebüßt haben; aber es hat keinen Beweis gegen den Thäter; es glaubt nun zu wissen, daß Dieser oder Jener es gethan. Da war angeordnet, daß durch dreißig solche Volleide sollte dem Erschlagenen der Thäter zugeschworen werden und dieser überwiesen sein, und ihm blieb danach nichts Anderes übrig als das Gottesgericht. Von diesen dreißig Volleiden darf das klagende Geschlecht einen aus seiner Mitte stellen: die neundundzwanzig übrigen müssen aus eben so vielen andern Geschlechtern gestellt werden. Da gab es nun eine Bewegung im ganzen Lande; neunundzwanzig Geschlechter müssen angesprochen werden, und wenn sie nicht willig sind, andere. Inzwischen ist es dem klagenden Geschlechte erlaubt, die Hälfte jedes Volleides aus ihrer Mitte zu stellen, und so konnten dieselben Personen öfter in dieser Sache in Anspruch genommen werden.



Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Heinrich Kolster: Geschichte Dithmarschens. Nach F. C. Dahlmanns Vorlesungen im Winter 1826. Wilhelm Mauke, Leipzig 1873, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_Dithmarschens_Kolster_1873.pdf/111&oldid=- (Version vom 14.6.2018)