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„Nach Norden bekamen wir auch der Chauken Völkerschaften zu sehen. Dort setzt sich in endloser Ausdehnung der Ocean in Bewegung, den ewigen Streit der Natur in seinem Schooße bergend, und man zweifelt, ob man auf dem Lande ist oder auf Meeresboden. Da wohnen denn die bedauernswerthen Menschen auf hohen Erdhügeln oder vielmehr von Menschenhand bis zur Höhe der höchsten Fluth aufgethürmten Dämmen (Wurthen), auf die sie dann ihre Hütten gesetzt haben, wenn das Wasser alles bedeckt, Schiffenden ähnlich, wenn es gewichen ist, Schiffbrüchigen, und machen um ihre Kathen her Jagd auf die mit der Meeresfluth flüchtenden Fische. Ein Stück Vieh zu haben, sich von Milch zu nähren wie ihre Nachbarn, ja mit Thieren zu kämpfen, das Glück wird ihnen nicht zu Theil, denn da ist jeglicher Strauch verbannt. Von Schilf und Moorbinsen flechten sie Stricke, um Netze für den Fang der Fische zu wirken, und mit den Händen aufgefangenen Schlamm mehr am Wind als an der Sonne trocknend, kochen sie mit Erde ihre Speisen und wärmen den vom Nordwind starrenden Magen. Zu trinken haben sie nichts als im Vorhof in Gruben aufgefangenes Regenwasser. Und solch ein Volk mag noch, wenn es heut von den Römern besiegt wird, von Knechtschaft sprechen! Jawohl, es giebt Völker, die das Schicksal zu ihrer Strafe verschont.“

Kann man genauer den Urzustand unserer Halligen schildern? und unserer Wurthen mit? Das Werk der Natur und die Erhöhung durch Menschenhand, die Abmessung nach der höchsten Fluthhöhe? die insulare Lage zur Zeit der Fluth? das Fischer- und Schifferleben? das Cisternenwasser, den Backtorf und die spärlichen Schaafe? Und nun die Wurthen? Kann man sie besser beschreiben als durch tribunalia casis imponendis exstructa?

Selbst ihr Name stellt sie ja als Inseln hin, denn ein Zusammenhang zwischen Wurth, Wörden und Werder (Insel) wird sich nicht in Abrede stellen lassen, wenn auch der Zusammenhang mit Wehr, wie ihn Weigand (Wörterbuch deutscher Synonyme I, 137) aufstellt, nicht soll in Abrede gestellt

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Heinrich Kolster: Geschichte Dithmarschens. Nach F. C. Dahlmanns Vorlesungen im Winter 1826. Wilhelm Mauke, Leipzig 1873, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_Dithmarschens_Kolster_1873.pdf/208&oldid=- (Version vom 14.6.2018)