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zu zahlen außer Stande war, erretten konnten: das Geschlecht verließ ihn nicht; war er unvermögend oder landflüchtig, so zahlte es die Buße für ihn; aber es erwartete auch und erzwang, daß er da, wo ihm Großes zugefallen war, dem Geschlechte sein Theil davon zuwendete. Aescherte der Blitz sein Haus ein, vernichtete Deichbruch sein Gut: das Geschlecht half ihm bauen und bessern; ja es einigte sich zu Zeiten ein Geschlecht oder ein Theil desselben zu einer Eindeichung, bildete so eine Bauerschaft aus lauter Geschlechtsvettern, wie das namentlich in der Nordermarsch vielfach scheint der Fall gewesen zu sein, wo die Dörfer nach Geschlechtern benannt sind: Todienwisch, Wennemannswisch (auf der Geest ist nie Uebereinstimmung des Namens zwischen Ort und Geschlecht). Es ist selbstverständlich, daß ein Geschlecht auch gemeinschaftlichen Besitz (Wald oder Weide) und gemeinschaftliche Lasten, z. B. Deichslasten, haben konnte, daß also für dergleichen eine verwaltende Hand da sein mußte. Vor allen Dingen aber leuchtet ein, wie wichtig es war, einem bedeutenden Geschlechte anzugehören. – 1524 ermordete man aus Fanatismus den Heinrich von Zütphen, aber seinem Wirthe N. Boie, der ihn gerufen, that man nichts zu Leide: ihn schützte sein Geschlecht. Von der Bedeutung des Geschlechts für die Eideshülfe soll unten die Rede sein. Das Geschlecht ließ die Seinen, die dazu geeignet waren, studiren, aber man verlangte auch von ihm, daß es für seine Schüler (Studirte) und Pfaffen einstehen sollte. Es bedarf keines Wortes, um zu erinnern, daß eine so vielschichtige Thätigkeit des Geschlechtes eine feste Leitung im Innern, vielfache Versammlungen, mannigfache Abrechnungen voraussetzt und darum geeignet ist, von dem äußeren Leben des Landes unsern Blick auf das innere zu lenken. Manche von diesen Versammlungen, besonders wo das Geschlecht verstreut war im Norden und Süden, werden in Meldorf abgehalten sein. Eben dahin führen uns auch die Verhandlungen fremder Staaten mit dem Lande und mit einzelnen oder mehreren Kirchspielen. So wird (der erste Act, wo wir den Vogt thätig sehen) in Meldorf 1265 am 16. August mit

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Heinrich Kolster: Geschichte Dithmarschens. Nach F. C. Dahlmanns Vorlesungen im Winter 1826. Wilhelm Mauke, Leipzig 1873, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_Dithmarschens_Kolster_1873.pdf/246&oldid=- (Version vom 14.9.2022)