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eine viel spätere christliche, – nämlich der Wunderbaum an der Aubrücke bei Süderheistedt. Neocorus erzählt von ihm: er sei nie vertrocknet, so lange die Freiheit der Dithmarschen geblüht habe; wie diese aber verloren gegangen sei, habe auch der Baum sein Laub verloren. Damit wird derselbe aber einer viel späteren Zeit zugewiesen, denn sonst hätte er verdorren müssen, als Karl der Große, oder Waldemar II. die Dithmarschen unter sich brachte. Der allezeit fertige Finder, Carstens, findet auch die Aufzeichnung eines Dithmarschen vom Jahre 1548 am Dionysiustage, und in dieser nicht allein eine ausführliche Beschreibung des Baumes, sondern auch die Länge und Breite eines heidnischen Tempels, in dessen Süden er den Baum stehen läßt. Neocorus erzählt von diesem Baume selbst nichts Merkwürdiges, als daß alle seine Zweige kreuzweis gingen. Carstens hingegen läßt seinen Dithmarschen erzählen, daß derselbe 9 Faden 9 Zoll dick, und 40 Faden hoch gewesen, und daß er wunderbare, roth und weiße, traubenförmige Blüthen gehabt habe, die 1 Fuß lang gewesen wären. Ferner führt Carstens nach seinem pergamentenen Johann Adolf an (mit dem er wohl eigentlich unsern papiernen gemeint haben mag), daß jener Tempel der Göttin Tanfana geweiht gewesen sei, die zugleich – man weiß nicht recht, auf welche Weise, die Leibfahne des Arminius vorgestellt habe (cf. Taciti Ann. 2, 1. c. 5051).

Wenden wir aber unseren Blick hin auf die ersten Elemente der Schrift unseres Volks, so ist auch da Carstens gleich mit einiger Auskunft bei der Hand. Er hat nämlich die Abbildung dreier Runensteine uns überliefert, welche Bolten auf einer eigenen Kupfertafel hat abdrucken lassen, und diese ist später in mehrere der berühmteren Sammlungen der Runenschrift übergegangen. Obgleich man nun mit Runen so wenig als mit unsern Buchstaben durch eine von ihnen ein Wort, oder einen Sinn ausdrücken konnte, so hat Carstens doch nur einen Buchstaben auf jeden von zwei Steinen setzen lassen, und zwei auf den dritten; wobei man nicht begreift, warum Jemand, ohne etwas auszudrücken, mit so vieler Mühe einen

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Heinrich Kolster: Geschichte Dithmarschens. Nach F. C. Dahlmanns Vorlesungen im Winter 1826. Wilhelm Mauke, Leipzig 1873, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_Dithmarschens_Kolster_1873.pdf/46&oldid=- (Version vom 14.6.2018)