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wirklich Bücher drucken. Wenn die Typen schlecht justiert sind oder auch nur ein einziger Buchstabe einer bestimmten Schriftgattung, z. B. das a, nur um ein Geringes größer ist als die übrigen desselben Gusses, so werden sie sämtlich bei der Zusammensetzung die Folgen dieses Mangels zeigen. Die Unregelmäßigkeit der Linien, in der ersten Zeile kaum wahrzunehmen, kommt schon in der zweiten deutlich zum Vorschein. Der Fehler nimmt mit jeder Zeile zu, bis zuletzt die Typen einen Hexentanz ausführen, dessen der Schriftsetzer nicht mehr Herr werden kann. Eine äußerst geringe Ungenauigkeit also, welche bei einem andern Gegenstande ganz unbeachtet bleiben könnte, hebt beim Drucken den ganzen Vorteil der beweglichen Typen auf. Linde gibt in seinem Werke ein Beispiel von zwei Typen verschiedenen Kegels, eines a und e, welche beide nur 13/1000 eines Zolles größer sind als die übrigen und welche die Folgen dieser Ungleichheit bereits in der 15. Zeile des höchstens 4 cm breiten Petitsatzes in solchen Maße zeigen, daß man sich beim Lesen kaum herausfinden kann.

Gutenberg hat also die Kunst erfunden, mit beweglichen gegossenen Typen Bücher zu drucken, und mit der Ausübung dieser Kunst um 1450 begonnen. So weit reicht die verbürgte Geschichte. Die nächsten Fragen: Was hat Gutenberg gedruckt, und: welches ist sein erstes Werk? lassen sich zur Zeit noch nicht beantworten. Das Zeugnis der bekannten Köhlhoffschen kölner Chronik aus dem Jahre 1499, welches sich auf eine angebliche Erzählung von Ulrich Zell aus Hanau, dem ersten kölner Drucker, stützt, sagt zwar: „Und in dem Jahre Herrn, da man schrieb 1450, begann man zu drucken, und das erste Buch, das man druckte, war die Bibel in lateinischer Sprache, und es ward gedruckt mit einer großen Schrift, mit welcher man Meßbücher druckt.“ Will man aber selbst dieser nach mündlicher Überlieferung aufgezeichneten Nachricht ohne weiteres Glauben schenken, so taucht doch die neue Frage auf, welche der beiden Bibeln, die hier in Betracht kommen können, der Chronist gemeint hat. Es gibt nämlich zwei Ausgaben, beide mit Missalschriften gedruckt, deren eine 36 Zeilen auf jeder Seite hat und deshalb die sechsunddreißigzeilige oder nach ihrem Entdecker die: Schelhornsche Bibel genannt wird, und die aus gleichem Grunde so genannte zweiundvierzigzeilige Bibel, die auch Mazarin-Bibel heißt, weil sie zuerst in der Bibliothek dieses Kardinals wieder auftauchte. Es gibt nun

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Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 045. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_01.djvu/045&oldid=- (Version vom 1.8.2018)