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und gaben Anlaß, der Sache weiter nachzuforschen, namentlich aber, die Bibel gründlicher zu lesen. Um dieses Beispiel aus dem Süden durch eins aus dem Norden zu ergänzen, so schickten schon im Jahre 1522 Rat und Bürgerschaft von Bremen einen Buchhändler nach Wittenberg, damit er von dort Luthersche Schriften mit nach Hause bringe. Die Bürger von Speyer liebten Luther sehr, lasen seine Bücher während der Abendmahlzeit vor und schrieben sie nachts ab. Auch in Memmingen bewirkte das Wormser Edikt gegen Luthers Schriften das gerade Gegenteil von dem, was er bezweckt hatte. Die, welche sich bisher um dieselben wenig gekümmert hatten, wurden erst durch das Verbot angereizt, sich näher mit der neuen Litteratur bekannt zu machen. So fanden denn hier die verbotenen Bücher allmählich Eingang, man las sie in den Bürgerhäusern, man redete davon in den Trinkstuben der Zünfte, und schon 1521 sollen Luthersche Schriften von einem memminger Buchhändler in Bieberach feilgeboten worden sein. Später fand die Bibelübersetzung rasche Verbreitung, das Neue Testament war in den Händen vieler und man pflegte, wie dies in den dortigen Landgemeinden zum Teil noch heute üblich ist, die von dem Prediger angeführten Bibelstellen schon in der Kirche oder daheim nachzuschlagen. Im Juni 1523 wurde im Rate der Antrag gestellt, die Anschaffung der übrigen Schriften Luthers und seiner Anhänger zu verbieten; dieser Antrag wurde aber schon damals, in der Zeit des Übergangs, verworfen. Am 15. November 1523 dagegen wurde in der Stadtkirche die erste lutherische Predigt gehalten.[1] In Ulm war schon 1523 alles lutherisch, trotzdem daß die katholischen Priester die Käufer der Lutherschen Werke denunzierten und Briefe erbrachen, um Beweise gegen die Verdächtigen beizubringen. „Man hat sie (die Lutherschen Bücher)“, schreibt der Prediger Matthäus Zell in Straßburg 1523[2], „auch öffentlich lassen feil haben, auch ob und an dem Ort, da oben an das päpstlich und kaiserlich Mandat gestanden ist. Es sind auch wenig der Gelehrten, die dieser Lehr nit anhangen, zum mindesten heimlich. Es sind auch durch das ganze deutsche Land wenig namhaftiger Stett darin nit viel der Besten diese Lehr lesen hören und ihr gönnen, indem man sie läßt öffentlich verkaufen.“ Der nürnberger Jurist Christoph Scheurl[3] bezeichnete die Stimmung ganz richtig, wenn er in einem Gespräche mit dem päpstlichen Nuntius, Kardinal Lorenzo Campeggi, am 15. März 1524 äußerte, daß der gemeine


Fußnoten

  1. Dobel, F., Memmingen im Reformationszeitalter. Augsburg 1877. S. 22–31.
  2. Hagen, K., Deutschlands religiöse und litterarische Verhältnisse im Reformationszeitalter. Erlangen 1841–1844. II, 159.
  3. Soden a. a. O. S. 170.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 416. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_07.djvu/012&oldid=- (Version vom 1.8.2018)