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eine obrigkeitliche Aufforderung und Nachfrage, auf das genaueste darthun. Ich selbst bin bereit zu diesem Ende, alle Mittel an die Hand zu geben und manche Umstände mit unleugbaren Urkunden zu belegen. Alle, welche mich gekannt haben, können mir bezeugen, dass ich einsam, ohne etwas zu suchen, für mich allein, fern von allen Ergötzungen und Zerstreuungen gelebt, dass ich mich so wenig nach Macht bestrebt habe, dass ich vielmehr alle Mittel und Wege versäumt habe, um reich oder mächtig zu werden. Ich habe es niemals, mit der siegenden Partei gehalten, ich habe mich niemals an die Mächtigen gedrängt, um mein äusserliches Glück und meinen Einfluss zu vermehren; ich habe die Heuchelei, Zeit meines Lebens, von ganzer Seele verabscheuet, sie ist ganz gegen meine übrige Denkungsart und Character. Als im Jahre 1785 in Regensburg mein seeliger Freund Lanz, an meiner Seite vom Blitz erschlagen wurde, welche Gelegenheit hätte ich gehabt, den reumütigen und bussfertigen Heuchler zu machen und auf diese Art das Zutrauen meiner Verfolger zu erwerben? Jeder, selbst meine Feinde, würden unter diesen Umständen geglaubt haben, dass es mir ernst sei. Wer kann sagen, dass ich, um mich zu erhalten, meine Zuflucht zu einem so schändlichen Mittel genommen, dass ich geheuchelt habe? Tausend andere würden es zuverlässig gethan haben, ich habe es nicht gethan; ich bin mir wie vordem gleich und unverändert geblieben unter allen harten Prüfungen und Aufforderungen, welche ich erfahren habe.

Diese Umstände und Gründe zusammengenommen, wage ich es, diesen Theil meiner Arbeit mit einer Frage an meine Leser zu beschliessen. Ich frage: ist es wahrscheinlich oder möglich, dass ein junger unerfahrener Mensch von 28 Jahren, auf einer Universität in seiner Vaterstadt geboren und erzogen, ein Mensch von einem ausserdem stillen und unbescholtenen Lebenswandel, der, wenn er auch gewollt hätte, in seiner Vaterstadt nie die Gelegenheit gehabt hätte, an dem Verderben der Welt Theil zu nehmen, ist es möglich, sage ich, dass ein solcher Mensch auf einmal, durch den widernatürlichsten Sprung, zum abgefeimtesten Bösewicht werde? Ist es möglich, dass ein blosser Schulmann, ein öffentlicher Lehrer und was am meisten auffallen muss, ein Lehrer der praktischen Weltweisheit, der Sitten und Tugendlehre, welcher über das Federische Lehrbuch öffentliche Lesestunden, mit ausgezeichnetem

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Leopold Engel: Geschichte des Illuminaten-Ordens. Berlin: Hugo Bermühler Verlag, 1906, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Illuminaten-Ordens_(Engel)_068.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)