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16. Damit alle Mitglieder von einem Geist beseelet werden, und so viel möglich nur einen Willen haben, so werden ihnen Bücher vorgeschrieben, die sie lesen müssen, und daraus sie sich bilden können. Aus den monatlich wenigst halben Bogen langen Arbeiten und aus den Vorlesungen bey Versammlungen werden Obere und Mitglieder Gelegenheit bekommen, sowohl ihren Vortrag, als Fleiss und Wachsthum ihrer Kenntnisse zu beurtheilen.

17. Die Bücher macht jedem sein Oberer bekannt. Ueberhaupt ist kein Buch ausgeschlossen, so zur Bildung des Herzens dienet. Für Angehende empfiehlt man Schriften, die an Bildern und moralischen Maximen reich sind. Besonders siehet man gern, wenn sich die Mitglieder mit dem Geist der Alten nähren, und endlich, wenn sie mehr denken und beobachten, als lesen.

18. Der Recipient jedes Candidaten ist sein respectiver Oberer. Jeder, der einem anderen die Existens des Ordens eröffnet, und dadurch in selbem das Verlangen rege gemacht hat, in solchen zu treten, muss von demjenigen, der ihn in den Orden gebracht hat, das ist, von seinem Recipienten, die weitern Verhaltungsbefehle erwarten.

19. Jeder hat die Erlaubniss, neue Mitglieder vorzuschlagen und zu insinuiren, daher müssen alle Mitglieder über jede Personen, die sie in den Orden aufgenommen, und auch über die, welche sie vom Orden ausgeschlossen zu werden wünschen, eigene für jeden bestimmte Blätter halten, auf dieselbe die Stellen, verrathende Reden, Denkungsart und Handlungen getreu aufzeichnen, besonders die kleinsten, wo der Mensch nicht glaubt, beobachtet zu werden. Da alle Urtheile, die man äussert, so wie alle Handlungen uns verrathen, so wird es uns nie an Stoff zu dergleichen Notaten fehlen.

20. Diese Notaten sind der Grund von allem Künftigen. Sie müssen daher sehr genau gemacht werden, mehr erzählend als räsonnirend seyn. Aus diesen Notaten muss, wenn einer aufgenommen werden soll, oder wenn einer jemand exclusiam gibt, dem unmittelbarem Obern der Charakter des Candidaten vorgelegt werden.

21. Da jeder Mensch zwey Seiten hat, eine gute und eine schlimme, so fordert der Orden, dass sich die Mitglieder nicht bloss die eine zu betrachten und zu beschreiben angewöhnen. Die Menschlichkeit fordert, dass man auch bey seinen Feinden das Gute aufsuche, die Rechtschaffenheit bey jedem lobe, und

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Leopold Engel: Geschichte des Illuminaten-Ordens. Berlin: Hugo Bermühler Verlag, 1906, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Illuminaten-Ordens_(Engel)_100.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)