Seite:Geschmacksverirrungen 15.jpg

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Konstruktionsformen, die wohl zweckgemäß und brauchbar sein können, ohne Mitwirkung künstlerischer Phantasie aber nicht ästhetisch gewertet werden dürfen.

4. Sinnwidrige Wahl von Schmuckmotiven für die betreffenden Objekte, z.B. religiöse oder patriotische Darstellungen auf Schnupftüchern, Eßwaren oder deren Packungen.

5. Schmuck an unrichtiger Stelle u. z. nicht nur plastischer Schmuck, der schon vom konstruktiven Standpunkte verwerflich ist (vgl. II.1). – Schmuck in falscher Richtung, z.B. wagrecht wachsende Blumen, nach oben gerichtete Gehänge etc.; störender Achsenwechsel.

6. Äußerlich angehefteter, zeit- und landfremder Schmuck; Schwelgen in historischen oder ethnographischen Stilmotiven. Zu keiner Zeit war die Rekapitulation alter historischer Stile – zuerst in naiver Weise, dann bewußt, geradezu wissenschaftlich „echt“ – verbreiteter als im 19. Jahrhundert, und noch jetzt können sich sehr große Kreise vom Barock, Rokoko, Louis XVI., Empire oder von der Biedermeierei nicht emanzipieren. – Das beste Schulbeispiel bildet hier die ausgestellte Serie von Tintenzeugen (stets je ein Behältnis für Tinte und Streusand nebst zwei Leuchtern) vom ägyptischen und assyrischen „Stil“ angefangen bis zu den Formen des 19. Jahrh., sowie im „Geschmack“ verschiedener asiatischer Völker.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Edmund Pazaurek: Geschmacksverirrungen im Kunstgewerbe. Stuttgart 1919, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschmacksverirrungen_15.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)