Seite:Geschmacksverirrungen 19.jpg

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Geschmacksforderung auszuweichen, so ist es doch allgemein bekannt, daß jede Zeit, auch was die absoluten Geschmacksforderungen anbelangt, nicht in objektiver Weise alles Gute lobt und alles Schlechte ebenso nur tadelt; jedes Menschengeschlecht schafft sich mit Vorliebe Ausnahmebestimmungen, schon um die verhaßte und lähmende Einförmigkeit zu vermeiden; manche Forderungen werden vorübergehend suspendiert (vgl. III. 3. oder III. 10), andere um so mehr unterstrichen. Und wir können darüber nicht einmal erbost sein, weil uns dadurch aus früheren Jahrhunderten gar manche interessanten Objekte beschert wurden, die den heutigen Anforderungen nicht entsprechen würden und dennoch aus anderen Gründen nicht vermißt werden wollen, wie die Architekturschränke der Barockzeit, die Porzellantassen mit Panoramenmalereien, die meisten Fayencen und Beingläser, die Edelzinnarbeiten, die eigentlich nur Surrogate für Silber sind, oder manche, auf der Rückseite gemalten venetianischen Glasschüsseln, die einst Emailschüsseln zu vertreten hatten.

Absolute, zwingende Geltung – wie in ethischen Fragen – gibt es überhaupt in ästhetischen Dingen, also auch im Kunstgewerbe, nicht. Gesetzt den Fall, unsere Produktion käme dahin, alle angedeuteten Klippen sorgfältigst zu umschiffen, so hätten wir zwar ein sehr korrektes, aber zugleich auch ein recht langweiliges Kunstgewerbe. Da es nämlich für eine ganz bestimmte Zwecklösung in jedem Material und in jeder Technik streng genommen

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Gustav Edmund Pazaurek: Geschmacksverirrungen im Kunstgewerbe. Stuttgart 1919, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschmacksverirrungen_19.jpg&oldid=- (Version vom 30.4.2018)