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Walther Kabel: Giftjagd (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 5)

Giftjagd. – Unserer Damenwelt, die sich nur zu gern mit kostbarem Pelzwerk schmückt, dürfte kaum bekannt sein, auf welch besondere Art und Weise ein großer Teil der natürlichen Lieferanten des vielbegehrten Rauchwerks erlegt wird, damit die Felle ganz unbeschädigt bleiben und ihren seidigen Glanz in voller Stärke behalten.

„Die Ansicht, daß die meisten Pelztiere in Fallen gefangen werden, ist überaus irrig,“ sagte Doktor Akimoff, der zwei Winter hindurch die sibirischen Jagdreviere bereist hat. „Die von den großen Pelzgeschäften in die nördlichen Einöden entsandten Jäger pflegen nur in der ersten Zeit, sozusagen als Neulinge ihres Handwerks, sich der Tellereisen und der Kastenfallen zu bedienen. Sehr bald eignen sie sich jene Jagdmethode an, wie ich sie bei den Tungusen, Jakuten und den an der Kältegrenze hausenden Kirgisenstämmen gefunden habe. Diese hat vor allen übrigen Fangarten nach übereinstimmender Ansicht aller Jäger, mit denen ich auf meinen Wanderzügen zusammentraf, den großen Vorteil, daß dabei auch nicht ein einziges Fell verdorben wird. Gerät ein Tier zum Beispiel in ein Tellereisen, so wird es regelmäßig bei seinen verzweifelten Befreiungsversuchen sein Haarkleid an den Kanten des eisernen Fanggerätes mehr oder weniger scheuern, wodurch der Pelz erheblich an Wert verliert. Nicht viel besser verhalt es sich mit den Kastenfallen, die man für die kleinsten Pelzträger, wie Hermelin, Zobel und Nerz benützt. Jedes darin festgehaltene Tier sucht sich mit Krallen und Zähnen durch das Holz einen Ausweg zu bahnen, rast in seiner Todesangst in dem engen Behälter umher und verdirbt hierbei sein kostbares Haarkleid sehr häufig derart, daß der Pelz nur noch als Ware zweiter Güte in den Handel gebracht werden kann.

Alle diese Nachteile vermeidet man bei der sogenannten Giftjagd, die unter den sibirischen Jägervölkern schon seit undenklichen Zeiten üblich ist. Es handelt sich nicht etwa um eine bloße Tötung der Tiere durch ein schnellwirkendes Gift, sondern

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Walther Kabel: Giftjagd (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 5). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1914, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Giftjagd.pdf/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)