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des Jenseits bringt. Und an unserer lieben Thora können wir uns festhalten.

Zum Exempel: Es ist ein Schiff mit Leuten auf dem Meer gefahren. Einer ist auf den Bord des Schiffes gegangen und hat sich so sehr in das Meer gebückt, daß er ins Wasser gefallen ist und wäre ersoffen. Der Schiffer hat das gesehen und ihm mehrere Stricke zugeworfen und ihn aufgefordert, er solle sich an den Stricken festhalten, dann wird er nicht ersaufen. Also sind wir sündige Menschen in dieser Welt, als wenn wir auf dem Meer schwämmen. Wir wissen uns keinen Augenblick sicher, daß wir nicht ersaufen. Aber Gott der Allmächtige hat uns in Gnade und Barmherzigkeit erschaffen, daß wir ganz ohne Sünde sein sollten. Aber durch die Sünde des Adam ist die Versuchung leider Gottes in uns mächtig geworden. Nun hat Gott – gelobt sei er – viele Heere von Engeln geschaffen. Alle tun den Willen Gottes – gelobt sei er – und folglich ist kein böser Trieb in ihnen und alles Gute tun sie ohne Geheiß.

Noch hat Gott Haustiere, wilde Tiere, Vögel und sonstige Tiere erschaffen, die haben eitel bösen Trieb und wissen von nichts Gutem. Dann hat Gott – gelobt sei er – uns Menschen in seinem Ebenbild erschaffen und wir haben Verstand wie die Engel.

Aber uns Menschen ist die Wahl gegeben, daß wir tun können, was wir wollen: Böses – Gott bewahre – oder Gutes. Aber der große, gnädige, gütige Gott mit seiner großen Barmherzigkeit hat uns Stricke ausgeworfen, woran wir uns festhalten sollen. Das ist unsere heilige Thora, die uns vor allem warnt, daß wir nicht versaufen, und uns sagt, wie sehr wir Macht haben, zu tun, was wir wollen. Aber in unserer lieben Thora steht auch, daß wir sollen fromm sein und alles Gute tun, wie die Engel tun. Und in der Thora steht geschrieben von Lohn und Strafe für gute und böse Taten. »Du aber wähle das Leben.« Gott bewahre, daß wir unserem Schöpfer nicht sollten dienen und sollten leben nach unserer bösen Herzenslust wie das unvernünftige Vieh, das keinen Lohn und keine Strafe weder im Diesseits noch

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_004.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)