Seite:Glueckel 007.jpg

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und ist oft manchem sein Vorteil vorbehalten für jene Welt. Seid versichert, daß bei dem großen gütigen Gott nichts verloren ist. Wenn es dem Gerechten auf dieser Welt nicht wohl ergeht, so sei er doch versichert, daß ihm seine Gerechtigkeit in der anderen Welt wird genug Zinsen tragen. Alsdann wird er Reichtum und Freuden haben und alles, was er nebbich in dieser Welt nicht gehabt hat und was er hat sehen müssen, daß viele Böse in der Welt gehabt haben.

Und wenn der fromme Mensch oft nicht so viel hat, daß er sich kann am lieben Brot satt essen, nimmt er also fürlieb und lobt und dankt seinem Erschaffer und bringt endlich mit Geduld und Frömmigkeit sein Trübsal vor den höchsten Richter; dann wird er finden, warum es auf dieser Welt dem Gerechten und Frommen übel ergeht und vielen aufgeblasenen, hochmütigen Frevlern wohl ergeht. Dann wird er sehen, wie seine Frömmigkeit und sein Glauben recht waren, und wird den Höchsten loben und denken: Wenn uns Gott – gelobt sei er – etwas auf den Menschen schickt, tut er alle zurechten, denn wir sündige Menschen sind böse Kinder, die der große gnädige Gott gerne ziehen wollt, daß wir gute Kinder und Knechte unserem gnädigen Herrn und Vater werden. Er straft darum uns, damit wir von der Strafe sollen klug werden und lernen, daß wir in Gottes Weg sollen gehen. Denn all das Gute, das uns Gott der Allmächtige gegeben hat, das haben wir nicht um ihn verdient, dem wir nicht genug dienen können für alles, was er uns tut. Solches wäre mir auch zu viel zu schreiben, aber wir müssen wissen, daß alles, was wir haben, ein Geschenk seiner großen Gnade und Barmherzigkeit ist. Aber daß wir oft gestraft werden, geschieht, um unsere Taten zu bezahlen. Wohl dem, den Gott auf dieser Welt straft, was man alles soll in Liebe aufnehmen.

Solches werdet ihr lesen aus der Geschichte mit dem Arzt, eine Geschichte, die ich gefunden habe in dem Buche des Gaon Rabbi Abraham, Sohn des Sabbathai Levy, die er in seinem Moralbuch geschrieben hat. Wenn einem Gott – er behüte uns – Nöten und Schmerzen zuschickt, ist dieser Trank ganz gut.

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_007.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)