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mit Namen Reb Mordechai. Dem ist es gar wohl ergangen und er war ein sehr reicher Mann. Aber derselbe ist auch zu dieser Zeit, er und seine Frau und sein Kind – Gott bewahre uns – an der Pest gestorben. Also hat sich meine liebe Großmutter mit ihren beiden Waisen in großer Not befunden und hat wirklich von einem Haus zum anderen kriechen müssen, »bis der Zorn vorüber war«.

Wie die Pest aufgehört hat, hat sie ihr Haus wieder bewohnen wollen und ihre Sachen auswettern. Aber da hat sie wenig mehr gefunden. Ihre besten Sachen sind weg gewesen. Nachbarn haben bei ihr gewohnt und die Bretter aus dem Fußboden aufgehoben und alles aufgebrochen und das meiste vom ihrigen weggenommen. Gar wenig ist für sie und ihre Waisen nebbich übrig geblieben.

Nun, was hat sie nebbich tun sollen? Meine fromme Großmutter – sie ruhe in Frieden – hat noch einige wenige Pfänder gehabt, von diesen hat sie sich mit ihren Waisen ernährt. Die beiden Waisen waren die Tante Ulk[1] und meine verehrte Mutter Bele – sie soll leben.

Endlich hat die gute Frau, die Großmutter – sie ruhe in Frieden – so viel zusammengeschrappt und gebracht, daß sie ihre Waise Ulk verheiratet hat und sie hat sich mit Reb David Hanau verschwägert. Er ist ein Großer seines Geschlechtes gewesen, hat den Morenu-Titel gehabt und war, wie mich deucht, Vorsitzender des Rabbinerkollegiums in Friesland. Danach ist er nach Altona gekommen und sie haben ihn dort als Vorsitzenden des Rabbinerkollegiums aufgenommen.

Der Bräutigam hat geheißen Elia Cohen – er ruhe in Frieden. Er hat ihm fünfhundert Reichstaler nachgegeben. Derselbe ist bald zu großem Reichtum gekommen und es ist ihm alles geglückt. Aber er ist leider jung gestorben und ist keine vierzig Jahre alt geworden.

Wenn ihm Gott – er sei gelobt – sein Leben gelassen hätte, wäre ein großer Mensch aus ihm geworden,

  1. Ulk = Elke (Ulrike).
Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_029.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)