Seite:Glueckel 043.jpg

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denn er wäre auch ein Mensch wie sie. Und sie hörten seine Stimme und daß er redete wie sie, und da fuhren sie auf ihn zu. Er erzählt, wie es ihm ergangen ist, und sie nahmen ihn geschwind mit seinem Kasten in das Schiff. Als er nun in dem Schiffe war, da hörte sein wildes Weib sein Geschrei und sie erkennt seine Stimme. Sie hat das wilde Kind auf dem Arm und läuft schnell auf ihn zu. Da sieht sie ihn in dem Schiffe und sie ruft ihm zu, er sollt sie doch auch mitnehmen. Aber er spottet sie aus und sagt: »Was hab ich mit den wilden Tieren zu schicken? Ich hab schon ein besseres Weib als du bist.« Und er redet noch viel mehr zu ihr als diese Worte. Wie sie seine Worte hört, daß er nicht mehr zu ihr kommen wollte, da ergrimmt in ihr der Zorn, sie nimmt das wilde Knäblein bei den Füßen und zerreißt es in zwei Hälften. Die eine Hälfte wirft sie ihm in das Schiff, und die andere Hälfte frißt sie im Zorn in sich hinein und läuft davon. Der Schriftgelehrte fährt mit seinen Leuten davon.

Nun kam er an ein Land, da war eine Insel im Meer und sie stiegen aus. Er nahm den Kasten und machte ihn auf und er war voll mit Gold und Edelsteinen, die unschätzbar sind. Er gab dem Schiffmann mit Freuden seinen Lohn und ließ sich den Kasten in die Herberge tragen. In der Nacht, wie er auf seiner Streu liegt, denkt er: »Wenn ich die Insel von dem Könige kaufen könnte, wollt ich ein Schloß und eine Stadt daher bauen. So hätt ich mein Einkommen und dürfte nicht fürchten, daß mir mein Geld gestohlen würde.« Und es war zu Morgen früh, da ging er zu dem König und kaufte die Insel in dem Meer, welche etliche Meilen lang war, und baute sich ein Schloß und eine Stadt, und es ward endlich ein ganzes Land auf der Insel gebaut. Die Leute auf der Insel nahmen ihn als ihren Fürsten an.

Als er so ein König war, gedachte er an sein Weib und an seine Kinder, und daß er sie so jämmerlich verlassen hat. Da kam es ihm in den Sinn, daß, weil sein Weib durch einen Schiffer hinweggenommen war, und weil nun alle Schiffleute an dem Schloß, das er hier gebaut hatte, vorbeifahren

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_043.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)