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er hat Reb Mausche geheißen. Er ist Bräutigam gewesen; also ist er mit Reb Mausche, einem ehrbaren Manne, und mit einem Diener, der der geschossene Jakob geheißen hat, zu seiner Hochzeit gezogen und haben ihre Mitgift mitgenommen. Wie sie so bei Bremervörde gehen, sind Räuber über sie gekommen, haben sie beraubt und alle drei lebensgefährlich verwundet. Man hat sie in den Ort hineingebracht und schnell Doktores und Balbiere holen lassen. Dann haben die Aerzte den Bräutigam und Reb Mausche für lebendig angenommen und den Diener, den geschossenen Jakob, für totgefährlich gehalten. Aber nach zwei Tagen sind sie beide gestorben und der geschossene Jakob ist davongekommen, wovon er den Namen bekommen hat und man ihn den geschossenen Jakob geheißen hat.

Was für Schmerz und Elend nun bei den betrübten Eltern war, ist leicht zu denken. Und obgleich man sich an vielen Plätzen bemüht hat und gemeint hat, eine Vergeltung zu finden, so ist doch alles umsonst gewesen und es ist keine Rache geschehen. Gott wird ihr Blut rächen.

Den anderen Sohn[1] habe ich gekannt, ist an Wissen voll gewesen wie ein Stück Granatapfel. Mein Schwiegervater — das Andenken des Gerechten sei gesegnet — hat ihn als jungen Menschen nach Polen geschickt, er hat dort gelernt und einen mächtigen Namen gehabt. Dort hat er sich verlobt und eine vornehme Heirat nach Posen getan mit Reb Chajim Boas' Tochter aus Posen. Nach der Hochzeit hat er gar fleißig gelernt und ist nach und nach immer größer geworden, bis er ein großer und angesehener Mann in Posen war. Aber nach einigen Jahren, als der Krieg mit Chmielnicky war und ganz Polen und alle jüdischen Gemeinden in großer Not waren, ist er und seine Frau und eine Tochter nackt und bloß und ohne irgend etwas, heraus zu meinem Schwiegervater gekommen. Die Tochter, die er gehabt hat, ist fast durch ein Wunder geboren, denn er war siebzehn Jahre verheiratet gewesen und hatte keine Kinder. Da ist seine Schwiegermutter krank


  1. Abraham Hameln.
Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_055.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)