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Reb Feibisch hat morgens sein Kistchen mit Schriften vermißt und bald auf seinen Stiefsohn Verdacht gehabt. Also haben sie angefangen, sich zu zanken, und mein Schwiegervater – das Andenken des Gerechten sei gesegnet – ist mit in den Zank gekommen und es hat meinem Schwiegervater und auch Reb Feibisch einem jeden mehr als zweitausend Reichstaler gekostet. Denn sie haben viele Jahre gezankt, alles vor Gericht, und es ist einer dem anderen fast ans Leben gegangen. Einmal hat Reb Feibisch meinen Schwiegervater ins Gefängnis bekommen; oft hat mein Schwiegervater – das Andenken des Gerechten sei gesegnet – den Reb Feibisch ins Gefängnis bekommen. Das hat so lang gedauert, bis sie beide kein Geld mehr gehabt haben. Doch hat es mein Schwiegervater – das Andenken des Gerechten sei gepriesen – besser aushalten können. Endlich haben sich Leute dazwischen gelegt und haben Rabbiner und Richter von Frankfurt kommen lassen, die sollten die Sache ausmachen. Nun, die sind gekommen und haben lange Zeit da zugebracht, haben aber doch nichts ausgerichtet, sondern nur viel Geld davongetragen.

Einer von den Richtern ist einer von den Gelnhäusern gewesen; der hat sich von dem Geld, das er davon mitgebracht hat, ein schönes Zimmer machen lassen und darin eine Gans malen. Und bei der Gans sind wohl drei oder vier Rabbiner mit Harzkappen[1] gestanden und ein jeder hat der Gans eine Feder ausgerissen.

Danach hat mein Schwiegervater seinen Schwiegersohn Reb Salman Gans und seine Tochter Jente von Minden weggenommen und sie nach Hannover gesetzt und ihnen auch noch für ein Kind zu leben gegeben.

Das Hannover ist ein mächtiger Ort gewesen, so daß Reb Salman Gans sich sehr gefreut hat und dort in großen Reichtum gekommen ist. Aber die Freude hat nicht lange gewährt. Er ist in seinen besten jungen Jahren gestorben. Jente ist einige Jahre Witwe geblieben und hat keinen


  1. Priesterkleider.
Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_058.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)