Seite:Glueckel 071.jpg

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Mensch hat anderen Raum machen müssen, denn wenn ihm Gott sein Leben gelassen hätte, wären vielleicht Reb Juda[1] und Isachar Katz[2] nicht zu ihrem Reichtum gekommen, wie weiter folgen wird.

Also, wie schon gesagt, hat sich der Mordechai – Gott räche sein Blut – nicht abreden lassen wollen und mein Mann – das Andenken des Gerechten zum Segen – wollte auch keine Kompagnie an dem Weinhandel haben.

Also ist er auf seine Rechnung allein gezogen und hat ungefähr sechshundert Reichstaler mitgenommen.

Wie er nach Hannover gekommen ist, hat er sein Geld meinem Schwager, Reb Lipmann, gegeben, er soll es ihm nach dem Ort schicken, wo er hinziehen werde, um Wein zu kaufen. Wie er von Hannover hat hinausziehen wollen, hat er gegen Hildesheim zu gemußt, und er – Gott räche sein Blut – ist gar ein karger Mensch gewesen, so daß er es nicht über sich gebracht hat, von Hannover nach Hildesheim auf der Post zu fahren, oder vielmehr Gott – sein Name sei gelobt – hat es nicht haben wollen.

Also ist er zu Fuß gegangen, denn Hannover ist nur drei Meilen Wegs von Hildesheim. Also ist er allein zu Fuß nach Hildesheim gegangen. Wie er vor Hildesheim kommt, keine zweitausend Ellen davon, begegnet ihm ein Wildschütz vom Dorf und sagt zu ihm: »Jud, gib mir ein Trinkgeld oder ich erschieß dich.« Der Mordechai – Gott räche sein Blut – lacht ihn aus, denn zwischen Hannover und Hildesheim ist es so sicher wie zwischen Hamburg und Altona. Also sagt der Schütz wieder zu ihm: »Du jüdisches Aas, was bedenkst du dich so lang, sag ja oder nein.« Endlich nimmt der Schütz sein Gewehr und schießt den Mordechai – Gott räche sein Blut – gleich in den Kopf, daß er stracks niederfällt und tot ist.

Nun ist es auf dem Weg keine Viertelstunde still, doch hat es sich leider zur Zeit des Unglückes schicken müssen,


  1. Juda Berlin = Jost Lipmann.
  2. Isachar Katz = Isachar Bär Cohen.
Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_071.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)