Seite:Glueckel 076.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

gefüllt mit allem Guten, alles stehen lassen und ist in die Stadt Hildesheim zu wohnen gezogen. Er hat uns hierher nach Hamburg zwei große Fässer mit allerhand Leinenzeug geschickt. Und drin ist gewesen allerhand Essenspeis, wie Erbsen, Bohnen, Dörrfleisch und sonst andere Grämpelspeis von Quetschenschnitz, alles, was sich so aufbewahren läßt. Denn der gute Mann – er ruhe in Frieden – hat gedacht, man wird einfach von Hamburg nach dem heiligen Land fahren.

Diese Fässer sind wohl mehr als ein Jahr in meinem Hause gestanden. Endlich haben sie gefürchtet, daß das Fleisch und andere Sachen verderben. Da haben sie uns geschrieben, wir sollen die Fässer aufmachen und was Essenspeis ist, herausnehmen, damit das Leinenzeug nicht verdorben werde. Also ist es wohl drei Jahre gestanden und sie haben als gemeint, sie sollten es zur Reise brauchen. Aber es hat dem Höchsten noch nicht gefallen. Wir wissen wohl, daß es uns der Höchste zugesagt hat. Wenn wir ganz fromm wären, von Grund unserer Herzen, und nicht so böse wären, so weiß ich gewiß, daß Gott sich unser erbarmt hätte. Daß wir nur halten würden: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.« Aber Gott soll sich erbarmen, wie wir das halten. Neid und grundloser Haß, die unter uns sind, das kann nicht gut tun. Dennoch, du lieber Herrgott, was du uns zugesagt hast, das wirst du königlich und gnädiglich halten. Ob es sich auch um unserer Sünden willen so lang verzieht, so werden wir es doch gewiß haben, wenn die von dir gesetzte Zeit da ist. Darauf wollen wir hoffen und zu dir, großer Gott, beten, daß du uns einmal mit vollkommener Erlösung erfreuen möchtest. Also für diesmal sei die Materie beschlossen und wieder angefangen, wie ich mit meiner Tochter Mate im Kindbett gelegen bin.

In Hamburg hat man angefangen zu munkeln, als wenn, Gott behüte, die Pest im Ort wäre. Sie hat endlich überhand genommen, so daß leider drei oder vier jüdische Häuser verunreinigt geworden sind, und fast alle, die drinnen gewesen sind, sind ausgestorben, so daß diese Häuser fast

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_076.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)