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leer gestanden sind. Es ist eine Zeit großer Not und Elends gewesen. Man ist, Gott behüte, mit den Toten sehr elend umgegangen. Die meisten Familien sind von Hamburg nach Altona gezogen und die Leute haben für etliche tausend Reichstaler Pfänder gehabt, worunter manche Pfänder gewesen sind von zehn Reichstaler bis dreißig Reichstaler und hundert Reichstaler. Denn wenn man in dem Pfandleihgeschäft war, hat man sowohl Pfänder von acht, als Pfänder von zwanzig Reichstaler belehnen müssen. Also ist, Gott behüte, die Pest in dem ganzen Ort gewesen, und wir haben keine Ruhe von dem Volk gehabt, trotzdem wir gewußt haben, daß sie unrein sind. Wir haben ihnen dennoch ihre Pfänder müssen auslösen lassen, wenn wir auch schon nach Altona gezogen waren; sie sind uns dorthin nachgekommen.

Also haben wir uns resolviert, mit unseren Kinderchen nach Hameln zu ziehen, denn mein Schwiegervater – das Andenken des Gerechten zum Segen – hat damals dort gewohnt.

Also sind wir bald, am Tage nach dem Versöhnungstag von Hamburg weggezogen und sind am Tage vor dem Laubhüttenfest in Hannover angelangt. Wir sind im Hause meines Schwagers Reb Abraham zu Gast gewesen, welcher zur selbigen Zeit noch in Hannover gewohnt hat. Also haben sie uns nicht ziehen lassen wollen, weil es so kurz vor den Feiertagen war. So sind wir das Laubhüttenfest in Hannover geblieben. Ich habe bei mir gehabt meine Tochter Zipora – sie soll leben – sie ist ein Kind von vier Jahren gewesen; meinen Sohn Nathan von zwei Jahren und mein Kind Mate – sie ruhe in Frieden – von ungefähr acht Wochen. Mein Schwager Reb Loeb Hannover hatte uns für die ersten Tage des Laubhüttenfestes eingeladen gehabt und in demselben Reb Loeb seinem Haus ist das Bethaus gewesen.

Am Feiertag morgens, als mein Mann – das Andenken des Gerechten sei gesegnet – im Bethaus war, bin ich unten in der Stube gewesen und wollte meine Tochter Zipora anziehen. Ich muß nun von einem kleinen Anstoß schreiben, welche wir zur Lebzeit meines Mannes – das

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_077.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)