Seite:Glueckel 079.jpg

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seh ich zu, was dem Kind fehlt, und es hat ein Geschwür unter dem Arm. Ich hab meine Dienerin bei mir gehabt.

Mein Mann – das Andenken des Gerechten zum Segen – hat ein kleines Geschwürchen an sich gehabt, da hat Ihm ein Balbierer aus Hannover ein Pflästerchen aufgelegt. So sag ich zu der Magd: »Geh zu Chajim. Er ist oben in der Synagoge und frag ihn, bei welchem Balbierer er gewesen ist und wo er wohnt, und geh mit dem Kind hin und laß ihm ein Pflaster auflegen.«

Ich hab an nichts Böses gedacht. Die Magd geht ins Bethaus und fragt meinen Mann – das Andenken des Gerechten zum Segen – wo der Balbierer wohnt. Er – er ruhe in Frieden – sagt, wo er wohnt.

Man muß durch die Weibersynagoge durchgehen, wenn man in die Männersynagoge gehen will. Wie die Magd herausgehen will, sitzen meine Schwägerinnen Jente, Sulke und Esther – sie ruhe in Frieden – auch im Bethaus und fragen die Magd: »Was hast du in der Männersynagoge getan?« Sagt die Magd ganz einfach und hat auch an nichts Böses gedacht: »Unser Kind hat ein Geschwür unterm Arm. Da hab ich meinen Herrn gefragt, bei was für einem Balbierer er sein Geschwür hat heilen lassen. Ich will mit dem Kind auch hingehen.«

Die Weiber erschrecken gleich mächtig, weil sie ohnedies sehr schreckhaft sind in solchen Dingen und weil wir von Hamburg kommen, und aus solcher Unruhe, da haben sie die Köpfe sehr zusammengesteckt und davon geredet. Also ist in dem Bethaus auch eine Bettlerin, eine alte Polakin gewesen, die hört die Geschichte auch und sieht daß meine Schwägerinnen so sehr erschrecken. Also sagt sie zu den Weibern: »Erschreckt euch nicht, es wird nichts sein. Ich bin wohl zwanzig Jahre mit solchen Sachen umgegangen, wenn ihr es haben wollt, so will ich hinaufgehen und will das Maidle besehen und euch bald sagen, ob es, Gott behüte, gefährlich ist, und werde euch sagen, was ihr tun sollt.« Die sagen: »Ja, um Gottes willen, geht herab

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_079.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)