Seite:Glueckel 087.jpg

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hat angenommen und was erfolgt ist. Kaiser Karl der Große ist ein mächtiger Kaiser gewesen, wie man in allen deutschen Büchern geschrieben findet. Also hat er zur selben Zeit keine Gemahlin gehabt. Also hat er und seine Räte für gut angesehen, daß er mit der Kaiserin Irene, welche Kaiserin in den Morgenländern gewesen ist, sich sollte verheiraten. Und dieselbige hat keinen Mann gehabt und das ganze morgenländische Kaisertum allein geführt. Also hat der Kaiser eine gar ansehnliche Gesandtschaft zu der Kaiserin geschickt und sie zur Gemahlin begehrt, erwartend, daß dieses orientalische und deutsche Kaisertum zusammen in Liebe und Freundschaft und Einigkeit sein möge. Also sind des Kaisers Karl des Großen seine köstlichen Gesandten nach Konstantinopel zu der Kaiserin geschickt worden und sollten von seinetwegen werben und sie zur Kaiserin begehren. Sie sollten einen beständigen Frieden mit beiden Reichen anrichten. Also ist die Kaiserin nicht ganz ungeneigt gewesen und hat gesagt, sie wollte ihnen in etlichen Tagen Bescheid sagen. Die Abgesandten von dem Kaiser sind über die Antwort gar fröhlich gewesen. Sie haben sich auf eine gute Antwort gerichtet und daß sie ihrem Kaiser bald einen so großen Schatz werden zuführen können. Sie meinten in der Stadt Konstantinopel große Freude anzurichten und daß sie solche auch von der ganzen Stadt wieder empfangen würden. Also haben sie auf die Schlußantwort von der Kaiserin gewartet.

Aber mein Gott, welch große Veränderung hatte sich in kurzen Tagen mit der frommen Kaiserin zugetragen. Und anstatt daß die Gesandten meinten, den Entschluß von der vorgehabten Heirat zu erwarten, mußten ihre Augen einen gar traurigen Zufall sehen, indem während ihrer Anwesenheit die Kaiserin Irene von ihrem kaiserlichen Stuhl gehoben wurde und des Regiments gänzlich entsetzt wurde. Denn ein vornehmer Herr von den Patriziern zu Konstantinopel, Nikephoros genannt, hatte sich selbst zum Kaiser aufgeworfen und sich einen großen Anhang gemacht. Alle die kaiserlichen Diener hatte er auf seine Seite gebracht

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_087.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)