Seite:Glueckel 095.jpg

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Also sagt der Mautner zum Postillon, er sollt stracks fortfahren. Der Postillon sagt: »Herr, wenn ich fortfahren sollte, bricht mir der Bote Petersen meinen Hals und ich krieg keinen Pfennig für meinen Fuhrlohn.«

Aber der Mautner ist gar ein wackerer, guter Mann gewesen und hat den Postillon gezwungen, daß er mit uns fortgefahren ist, und hat gesagt, wenn die beiden versoffenen Schelme kommen, mögen sie ein jeder ein Pferd nehmen und nachreiten. Ihr bleibt doch über Nacht in der Herberge liegen. Nun, was hat der Postillon tun sollen? Er hat mit uns fortfahren müssen. Also sind wir zwar in dem bösen Wetter fortgefahren, sind aber hübsch bei guter Zeit in die Herberge gekommen.

Dort haben wir eine gute, warme Stube gefunden und alle haben guten Willen gehabt, obzwar die Stube gesteckt voll gewesen ist mit Fuhrleuten und anderen Reisenden, so daß es in der Stube gar eng gewesen ist. Aber die Leute haben uns allen guten Willen erzeigt und mit den Kindern nebbich Mitleid gehabt. Sie haben nebbich keinen trockenen Faden an sich gehabt. Ich habe ihre Kleiderchen hingehängt, daß sie getrocknet sind, und die Kinder sind wieder zu sich selbst gekommen.

Wir haben gutes Essen bei uns gehabt und in dem Wirtshaus ist gar guter Breihahn gewesen, also haben wir uns von unserer mühseligen Reise wieder erquickt mit gutem Essen und Trinken und sind noch gar lang in der Nacht gesessen und haben vermeint, daß unsere beiden Saufbrüder kommen sollten.

Aber es ist niemand gekommen. Also hab ich mir eine Streu machen lassen und mich mit meinen Kinderchen daraufgelegt. Ich hab noch nicht schlafen können, hab aber Gott gedankt, daß ich meine Kinderchen hab in die Ruh gekriegt.

Also bin ich so in Gedanken gelegen bis ungefähr um Mitternacht. Kommt ein Lärm in die Stube; da ist der Bote gewesen, der in seiner Betrunkenheit mit einem bloßen

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_095.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)