Seite:Glueckel 117.jpg

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Und was sind das für Wohltaten, die er von einem König von Fleisch und Blut empfängt? Er kann ihn vornehm machen, er kann machen, daß er viel Geld bekommt, aber das ist alles auf eine Zeitlang, nichts für ewig. Wenn er auch alles in seiner Hand hätte bis zum Tage seines Todes, ist das doch alles nichts. Denn der bittere Tod macht alles vergessen, und es hilft ihm all sein Reichtum und seine Ehre nicht, denn es gibt keinen Mächtigen am Todestag. Und der Mensch weiß das alles, und doch trachtet er, daß er dem König von Fleisch und Blut wohl diene, um das Zeitliche zu bekommen. Um wieviel mehr gehörte es sich, daß wir Tag und Nacht trachten sollten, dem Heiligen – gelobt sei sein Name – dem König aller Könige, der lebt und ewig ist, zu dienen. Denn er ist derjenige, von dem alles Gute kommt, das wir von dem König von Fleisch und Blut bekommen. Und Gott – er sei gelobt – ist derjenige, der den Königen alles gibt und es ihnen ins Herz legt, mit jenen Gutes zu tun, für die es sein heiliger Wille ist. »Denn das Herz der Könige ist in Gottes Hand.« Und die Gaben des Königs von Fleisch und Blut sind alle nichts gegen das, was Gott – er sei gelobt – denen gibt, die ihn ehrfürchten: das ist die Ewigkeit, was kein Maß noch Ziel oder Vergänglichkeit hat.

Also, meine herzlieben Kinder, seid getrost und geduldig in eurem Leiden und dienet Gott dem Allmächtigen mit ganzem Herzen, sowohl wenn es euch – Gott behüte – übel, als wenn es euch wohl ergeht.

Denn wenn wir auch meinen, daß der große Gott uns auferlegt, was gar zu schwer ist, daß wir es fast nicht ertragen können, so müssen wir doch wissen, daß der große Herr seinen Knechten nicht mehr auferlegt, als sie ertragen können. Und wohl dem Menschen, dem Gott was zuschickt. Sowohl für sich selbst als für seine Kinder soll er alles gut und mit Geduld annehmen. Wofür ich meinen Beschaffer auch bitte, er wolle mir nur die Geduld geben. Alles, was uns auf dieser Welt konträr geht, geschieht nur nach unseren Werken und ist darum auch mit Geduld auszuhalten.

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_117.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)