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Kindern, es sei an seinem Körper oder am Geld, und wenn sich derselbe Mensch schon dünkt sehr fromm zu sein und er wollte denken: »Ei, lieber Gott, warum schickst du mir so Jämmerliches zu? Ich weiß ja nicht, woran ich solches versündigt habe«, das soll der Mensch nicht tun. Wie denn? Jede Not – sie soll nicht kommen – soll der Mensch als mit Liebe empfangen und die Gerechtigkeit des Gerichtes anerkennen und sagen: »Gelobt sei der wahre Richter.«

Alles, was der große Gott tut, tut er alles mit Gerechtigkeit. »Wer kann sagen, was tust du?« Man muß doch wissen, daß alles, was Gott – gelobt sei er – den Menschen tut, geschieht ihm als zum Guten. Wer weiß, ob es nicht oft für den Menschen besser ist, Wehtag und Schmerzen, Verlust an Kindern, Freunden, Geld – Gott bewahre – und dergleichen mehr, als wenn es dem Menschen ganz wohl ergeht. Gott – er sei gelobt – ist ein Erbarmer, wer könnte sonst vor dem jüngsten Gericht bestehen?

Nun, was soll ich mich dabei aufhalten? Wie zum öfteren erwähnt und unsere Weisen – das Andenken der Gerechten gesegnet – beschrieben, wie Reb Jochanan – er ruhe in Frieden – ein großer Tanait gewesen, und es sind ihm bei seinen Lebzeiten neun Söhne gestorben und er behielt auf sein Alter nur einen kleinen Sohn von drei Jahren. Nun geschah es einmal, daß seine Leute ihr Gezeug wuschen, und sie stellten einen Kessel mit Wasser über das Feuer, daraus zu waschen. Und er siedet und strudelt über und drüber, und es war eine Bank bei dem Kessel, darauf man die Wäsche legen wollte. Und sie setzten das Kind auf die Bank und hatten kein Gedenken mehr an ihn. Und das Kind stund auf und wollte in den Kessel sehen, wie das die Art von Kindern ist. Aber die Bank stund nicht fest, so schnappte sie mit dem Kind auf und das Kind fiel in den siedigen Kessel mit Wasser. Und das Kind schrie ein bitter jämmerlich Geschrei, und so erschraken all die Leute und sie liefen alle zugleich zu dem Kessel. Und der Vater wollte es geschwind herausziehen. Da blieb

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_120.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)