Seite:Glueckel 126.jpg

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sie wären frühmorgens, ganz früh, aus dem Haus gegangen. Dem Bürger hat etwas auf dem Herzen gelegen, denn wer so einen Schatz hat, ist allezeit besorgt dafür.

Also ist er über seine Kiste gegangen, worin er seinen Schatz gehabt hat, hat aber nichts gefunden. Alsbald hat er sich wohl gedacht, daß ihm das seine beiden Gäste getan haben. Flugs ist er an das Meer gelaufen und hat Schiffer gefragt, ob sie nicht zwei Juden wegfahren gesehen haben. Also haben sie ihm gesagt: ja, der und der Schiffer hat sie vor einer Stunde weggeführt. Hat er alsbald ein Schiff gedungen, mit vier Rudern besetzt und sind nachgefahren und in nicht langer Zeit haben sie das Schiff mit den Dieben in Sicht bekommen.

Die Diebe haben auch gesehen, daß man sie verfolgt, da sind sie gegangen und haben den ganzen Schatz ins Meer geworfen. Kurz, der Bürger hat sie eingeholt und sie haben mit ihm zurückfahren müssen, obwohl nun die Diebe sehr mit dem Bürger geschrien haben: »Gedenk, was du tust, wir sind ehrliche Leute. Man wird nicht finden, daß wir von dem Deinigen etwas haben. Du tust uns so einen Schimpf an, wir werden es wissen, uns an dir zu rächen.« Denn sie hatten es darum ins Wasser geworfen, weil sie dadurch meinten besser leugnen zu können.

Aber es steht geschrieben in unseren zehn Geboten: »Du sollst nicht stehlen.« Darum hat ihnen auch Gott – er sei gelobt – nicht geholfen und sie sind wieder an den Ort gebracht worden, wo sie hergekommen sind. Sie haben zwar alles geleugnet, nachdem man sie nackt ausgezogen und alles durchsucht hatte. Aber es hat ihnen nichts geholfen. Man hat ihnen starke Folter angetan, bis sie endlich gestanden haben, daß sie es getan haben, und als sie gesehen haben, daß man ihnen nachgekommen ist, haben sie es ins Meer geworfen. Und sie waren der Meinung, daß, wenn man sie untersuchen werde und nichts bei ihnen findet, dann könnten sie mit ihrem Leugnen davonkommen.

Aber, wie schon erwähnt, Gott hat es nicht haben wollen. Nun sind sie beide zum Galgen verdammt worden.

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_126.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)