Seite:Glueckel 127.jpg

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Der eine Dieb hat schnell den Christenglauben angenommen, der andere aber ist sein Leben lang ein frommer Mensch gewesen. Er hat auch einen frommen Vater und eine fromme Mutter gehabt, er ist von Wandsbeck gewesen. Derselbe hat seinen Glauben nicht changieren wollen und lieber sterben als abfallen wollen. Ich habe ihn und seine Eltern wohl gekannt und er hatte sich sein ganzes Leben als ein frommer, ehrlicher Mann gehalten. Er muß von dem anderen verführt worden sein, der sein ganzes Leben nichts Gutes gewesen ist. Also hat sein Ende leider so sein müssen. Seine Seele ist sicher ins Paradies gekommen, denn er hat sich wirklich in einer Stunde das Jenseits erworben. Ich will ihn, um der Ehre seiner Familie wegen, nicht nennen, aber in Hamburg weiß man wohl die ganze Geschichte. Gott – er sei gelobt – wird sicher die Heiligung seines Namens angenommen haben und daß er seine Seele für Gott – er sei gelobt – geopfert hat, da er doch so wohl hätt davonkommen können als wie sein Geselle. Aber er hat das Gebot erfüllt: »Liebe Gott mit deiner ganzen Seele,« und so ist sicher sein Tod eine Sühne für all seine Sünden gewesen. Darum soll sich ein jeder ein Exempel nehmen und sich nicht von der Versuchung verführen lassen vonwegen des leidigen Geldes.

Es ist nicht genug, daß man denkt, man will Gott – er sei gelobt – »mit der ganzen Seele« dienen; es ist das zwar ganz gut. Wenn es dazu kommt, sein Leben herzugeben für die Heiligkeit Gottes – er sei gelobt – so gehört es für jeden Juden, solches zu bedenken und zu tun. Wie Rabbi Akiba – er ruhe in Frieden – gesagt hat: »O, daß mir doch die Gelegenheit käme, wann ich es erfüllen kann, nun die Gelegenheit da ist, soll ich es nicht erfüllen?«

Aber es steht auch dabei »und mit deinem ganzen Vermögen«. Das ist das Geld, mit dem man Gott – er sei gelobt – dienen soll.

Damit ist nicht allein gesagt, daß man von seinem Geld große Almosen geben soll, um Gott – er sei gelobt – zu dienen, was Gott – er sei gelobt – gar lieb ist. Aber nach meinem geringen Verstand ist dieses sicher:

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_127.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)