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Darauf gibt mir die Wartfrau das Kind auf mein Bett, um zu sehen, ob es saugen will. Alsobald, als das Kind an die Brust kommt, fängt es stracks an zu saugen, wie ein Kind von einem Vierteljahr, und von damals an bis zur Beschneidung sind auch alle Flecken von seinem Körper und Gesicht weg gewesen. Außer einem Flecken, der ihm an seiner Seite stehen geblieben ist, und der so groß ist, wie eine breite Linse. Und das Kind ist bis zu seiner Beschneidung frisch und gesund gewesen und ein wohlgestaltes Kind, welches man zur rechten Zeit gejüdischt hat. Es ist ein gar vornehmes Beschneidungsmahl gewesen, wie es in langer Zeit nicht in Hamburg gewesen ist. Und obschon wir damals durch einen Bankrott 1000 Mark Banco von dem Portugiesen Isaak Vas[1] verloren haben, so hat mein Mann – das Andenken des Gerechten gesegnet – alles nicht geachtet vor Freude, daß ihm der Sohn geboren gewesen.

Also meine lieben Kinder, es ist zu sehen, daß es nicht lauter Irrtum ist mit Weibergelüsten und man soll es nicht allezeit verachten.

Nach der Zeit bin ich wieder mit einem Kind schwanger geworden, womit es mir sehr übel ergangen ist. Denn als ich im siebenten Monat war, so hab ich – Gott bewahre, es bleibe fern von uns – ein Wechselfieber bekommen, welches sehr unnatürlich gewesen ist. Wenn ich es morgens bekommen hab, hab ich vier ganze Stunden kalt gehabt und danach vier Stunden Hitze bekommen, danach hab ich vier Stunden mit Verlaub Schweiß bekommen, welches mir noch ärger als Hitze und Kälte gewesen ist.

Nun ist wohl zu bedenken, wie mich das abgemartert hat. Ich hab keinen Bissen essen können, obschon man mir alle köstlichen Leckerbissen gebracht hat.

Einmal bittet mich mein Mann – das Andenken des Gerechten gesegnet – ich sollt doch mit ihm ein wenig auf den Wall gehen, welcher nicht weit von unserem Haus


  1. Vermutlich identisch mit dem am 15. Cheschwan 1728 verstorbenen Isaak Vas de Miranda. (Vergl. M. Grünwald: »Portugiesengräber«, S. 126.)
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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_178.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)