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Frau, die leider voller Beschwerden und Sorgen ist, sich tun läßt. Nach den dreißig Trauertagen ist kein Bruder, keine Schwester, kein naher Verwandter zu uns gekommen, der uns gefragt hätte, was macht ihr oder wie kommt ihr zurecht. Sind wir zeitweise zusammengekommen, bevor die dreißig Trauertage aus gewesen sind, so ist ihr Reden eitel Nichtigkeiten gewesen. Es hat mir oder meinen Waisen zu unserem Zweck wenig helfen können.

Vormünder hat mein Mann – das Andenken des Gerechten gesegnet – nicht einsetzen wollen, wie schon erwähnt, was er – er ruhe in Frieden – Reb Phöbus gesagt hat.

Nun nach den dreißig Trauertagen bin ich über mein Geschäftsbuch gegangen und hab nachgesehen, da hab ich gefunden, daß wir zwanzigtausend Reichstaler schuldig gewesen sind, welches ich zwar wohl gewußt habe, und ist mir, Gott sei Dank, auch nicht bang dabei gewesen. Denn ich hab wohl gewußt, daß ich alles zahlen kann, und noch so viel übrig ist, daß ich und meine Waisenkinder zurechtkommen können. Es ist aber doch für eine betrübte Witwe eine schwere Sache, so eine mächtige Summe schuldig zu sein. Und ich habe keine hundert Reichstaler bares Geld im Hause gehabt.

Mein Sohn Nathan und mein Sohn Reb Mordechai sind mir als ehrliche Kinder zu Hilfe gekommen, aber sie sind noch jung gewesen. Also hab ich alles zusammengemacht und meine Bilanz gemacht und mir gedacht, ich will eine Versteigerung machen, was auch gleich geschehen ist.

Nun, meine lieben Kinder, habt ihr gelesen, wie euer lieber, frommer Vater – das Andenken des Gerechten gesegnet – seinen Abschied von dieser sündigen Welt genommen hat, euer Hirt, euer Freund. Nun, liebe Kinder, gedenket nun ein jeder an sich selbst, denn ihr habt keinen Menschen, keinen Freund, auf den ihr euch verlassen könnt. Und wenn ihr auch viel Freunde hättet, wenn ihr sie – Gott bewahre – in der Not brauchen solltet, so könnt ihr euch doch auf keinen Freund verlassen. Denn wenn man

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_193.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)