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Sohn erschlagen und uns als getreue Diener annehmen. Und sie taten es also und zeigten es dem König an.

So sprach der König: »Bei meiner Krone, wenn das mein Sohn getan hat, so soll es ihm sein Leben kosten.« Und der König ließ seinen Sohn rufen und hielt ihm die Worte alle vor. Aber der Sohn wollte es nicht gestehn. So sprachen sie zu ihm: »Du hast ihn ja in einen Sack getan und auf dem Friedhof begraben.« Wie das der König hört, so spricht er: »Ich will meine Knechte geschwind hinschicken, geht ihr auch mit und weist ihnen das Grab.« Und sie taten also. Und sie brachten den Sack, mit dem Siegel des Sohnes versiegelt, vor den König. So spricht der König zu seinem Sohn: »Was sagst du nun dazu?«

So antwortet der Sohn: »Lieber Herr Vater, ich hab ein Kalb geheiligt zu einem Opfer, und wie ich es geschlachtet hab, so ist es nicht geraten. So war es ungeeignet für ein Opfer, aber es ist auch nicht billig, daß man es auf die Gasse wirft, dieweil ich es geheiligt hab. So hab ich es vergraben in diesem Sack.«

Und der König gebietet, man solle den Sack aufmachen und alles herausschütteln. Und sie taten also und schüttelten ein totes Kalb heraus und es waren die drei Diener beschämt vor dem Königssohn, und er gebietet, man solle sie in ein Gefängnis setzen, und man tat also.

Nach diesem ließ der König seinen Sohn rufen und er sagt zu ihm: »Sieh nun jetzunder, ob einer für einen Freund zu halten ist, ehe er erprobt ist.«

So antwortet der Sohn: »Ich hab fürwahr jetzunder mehr Verstand bekommen, als ich in den dreizehn Jahren gelernt hab. Und ich habe gar an meinen Leuten nur einen halben Freund gefunden, das war der Kammerdiener, der stund mir auf der Schildwach. Nun jetzunder, mein lieber Herr Vater, gebt mir einen guten Rat, was ich mit meinen Dienern machen soll.«

Es sagt der König: »Ich weiß keinen anderen Rat, du sollst alle deine Diener erschlagen, damit dein Kammerdiener, der dir wenigstens Schildwache gestanden hat, nicht

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_197.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)