Seite:Glueckel 216.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und besonders ihre Schwiegermutter, welche sie sehr geliebt hat, für Kummer um sie gehabt, ist nicht zu beschreiben.

Aber was hilft das alles meinem betrübten mütterlichen Herzen? Es ist siebzehn Wochen nach der Hochzeit gewesen. Nun, ich mag mich nicht länger hier aufhalten und meine Wunden aufs neue wieder aufreißen.

Nach den sieben Trauertagen hat mein Sohn Reb Löb zu mir geschickt, ich möchte zu ihm kommen. Wie ich nun zu ihm gekommen bin, wie zur Klage-Eiche, hat er geheult und ich hab geheult, und mein Sohn Reb Löb hat mich getröstet, so gut er gekonnt hat. Danach hat er zu mir gesagt: »Meine liebe Mutter, was wird aus meinem betrübten Zustand? Ich bin ein junger Mann und gehe müßig herum. Meine brave Schwester – sie ruhe in Frieden – ist gestorben und hat keine Nachkommen hinterlassen. Ihr Mann muß ihre Mitgift wieder geben, welche meinen Brüdern gehört. Wenn meine Brüder noch diesesmal mit mir Erbarmen haben wollen und mir mit dem Geld helfen wollen, daß ich mit meinen Kreditoren einen Vergleich machte, damit ich nach Hamburg kommen könnte, so meine ich mich mit Gottes Hilfe wieder ernähren zu können.«

Mein betrübtes Herz ist mir schwer und voll gewesen. Ich hab ihm vor bitter betrübten Tränen nicht antworten können und gesagt: »Welche Schlechtigkeit ist das von dir! Du weißt wie deine frommen Brüder an dir zu kurz gekommen sind, und sie können es leider Gottes wirklich nicht mehr aushalten. Und nun, da sie das bisselchen betrübte Geld wider ihren Willen bekommen, willst du ihnen das auch aus ihrem bitterlich betrübten Herzen reißen!«

Also haben er und ich alle beide eine Stunde jämmerlich geheult und geschrien und weiter kein Wort einer mit dem anderen reden können.

Ich hab mein Regenkleid stillschweigend umgenommen und bin mit Schreien und bitter Klagen nach Hamburg nach Hause gegangen und habe meinen Kindern keinem etwas gesagt. Aber mein Sohn Reb Löb – er ruhe in Frieden – hat nicht nachgelassen. Er hat zu meinen Kindern geschickt

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_216.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)