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habe. Am Sabbat hab ich mich resolviert, daß ich am Sonntag früh nach Leipzig fahren will. Wenn ich in Leipzig finde, daß die reichen Leute Rimessen nach Leipzig geschickt haben, so will ich gleich wieder zurückfahren. So aber die betreffenden reichen Leute keine Rimessen schicken werden, dann will ich von Leipzig nach Wien ziehn zu meinem reichen Gevatter Reb Samson, dem Oberrabbiner, welcher in dieser Zeit ein treuer Freund gewesen ist. Derselbige werde uns wohl zu dem Unserigen helfen. Also hab ich meinen Bruder Reb Wolf gebeten, er soll mit mir ziehn. Also sind wir Sonntag mit Hauderwagen von Hamburg nach Leipzig gefahren. Wie ich vor Leipzig gekommen bin, bin ich auf einem Dorf liegen geblieben. Ich habe einen Boten in die Stadt hineingeschickt und meine Kinder zu mir herauskommen lassen, welche mir berichtet haben, daß die betreffenden reichen Leute aus dem Arrest seien und Rimessen geschickt haben, um all ihre Wechsel in Ehren zu bezahlen. Gleich und schnell wie ich das gehört, habe ich, gleichwie mein Bruder, mich wieder auf den Weg gemacht und sind zurückgefahren, und sind Freitag, am Vorabend des Sabbat, bei guter Zeit wieder daheim gewesen. Also bin ich in sechs Tagen nach Leipzig und von Leipzig nach Hamburg gefahren.

Soll ich nun schreiben, welche Freude meine Kinderchen nebbich gehabt haben und besonders meine Schwiegertochter Mirjam, die Frau von Nathan. Denn wir sind in einem so hochbetrübten Zustand voneinander gegangen, daß wir nicht gemeint haben, so ohneweiters wieder zusammenzukommen. Nun aber hat uns Gott – er sei gelobt – wirklich in einem Augenblick geholfen. Gelobt und gedankt sei der Höchste.

Wenn auch die betreffenden reichen Leute alle Unkosten bezahlt haben, so haben sie uns doch all ihre Tage nicht bezahlen können, was wir an Bestürzung, Not und Sorge gehabt haben. Gott – er sei gepriesen – möge sich doch weiter über uns erbarmen, und uns nur unser bestimmtes Brot aus der Hand Gottes geben. Also ist auch dieses zum Guten abgelaufen.

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 253. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_253.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)