Seite:Glueckel 258.jpg

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obschon ich solches nicht tun kann mit vielem großen Fasten oder sonst großen Bußen, wie ich wohl schuldig wäre und tun sollte. Aber die großen Sorgen, und im fremden Land, und auch sonst haben es mich nicht tun lassen, wenn ich auch wohl weiß, daß solche Entschuldigungen vor Gott – er sei gelobt – wenig helfen werden.

Und darum habe ich dies mit zitternder Hand geschrieben, und mit bitteren heißen Tränen, denn es steht: Gott – er sei gelobt – zu dienen »mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Vermögen.«

Also gehört es sich, daß der sündige Mensch seinen Körper und sein Geld nicht achte, um Gott – er sei gepriesen – damit zu dienen und alle Entschuldigungen sind eitel Unwahrheit. Ich bitte Gott den Allmächtigen, mir die Gnade zu erweisen, daß er mich kräftigt und mir die Kraft gibt und mir keinen anderen Gedanken gibt, als Gott – er sei gelobt – zu dienen, daß ich nicht mit meinen beschmutzten, beschmierten Kleidern vor Gott – er sei gelobt – komme. Wie es heißt: »Einen Tag vor deinem Tode kehre zurück.« Nun wissen wir ja nicht, wann der Tag kommt, daß wir sterben sollen. Also weil der Mensch das ja nicht weiß, so ist er schuldig, alle Tage Buße zu tun. Solches hätt ich auch tun und betrachten sollen, denn ich hätte solches gar wohl tun können. Wenn ich auch eine lumpige Ausrede vor mir habe, daß ich erst meinen Waisen im allgemeinen wollte zurechthelfen, und danach ins heilige Land ziehen wollte, so hätte ich selbes gar wohl tun können, besonders da mein Sohn Reb Moses ein Bräutigam gewesen ist. Danach hätte ich nicht mehr zu versorgen gehabt, als meine kleine verwaiste Tochter, Jungfer Mirjam. Also hätte ich Sündigerin keinen Mann nehmen sollen, sondern meiner Tochter Mirjam sollen erst einen Mann geben. Danach hätte ich tun sollen, wie es für eine reine, fromme jüdische Frau gehört. Ich hätte alle Nichtigkeiten dieser Welt verlassen sollen und mich mit dem bisselchen, was ich noch übrig gehabt habe, nach dem heiligen Land begeben sollen. Denn dort hätte ich als eine

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_258.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)