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wenn ich auch das alles nicht geachtet habe, so lange ich in großem Handel gestanden bin und Kredit gehabt habe, wie schon erwähnt. Falls mir aber, Gott behüte, einmal etliche Pack Waren oder sonst viel Schulden sollten verloren werden, so wäre ich, Gott behüte, ganz fallit und müßte, Gott behüte, meine Kreditoren auch benachteiligen, welches mir und meinen Kindern und meinem frommen Mann unter der Erde eine Schande wäre.

Damals hab ich angefangen Reue zu haben auf all die guten Heiraten, die ich hab fahren lassen, da ich hätte in Reichtum und Ehre mein Alter verbringen können; und vielleicht hätte ich meinen Kindern dadurch auch wohltun können. Aber alle Reue hilft nichts, sie ist zu spät gewesen. Gott hat es nicht haben wollen, und hat mir anderes zu meinem Unstern eingegeben, wie folgen wird.

Solches ist geschehen im Jahre 1699. Wie schon erwähnt, wollte ich meinem Sohn Reb Moses Hochzeit machen, es ist aber nicht dazu gekommen, wie schon erwähnt. Inzwischen bekomme ich einen Brief von meinem Schwiegersohn Moses, er lebe, aus Metz, welcher geschrieben war am 15. Siwan 1699, und darin war erwähnt, daß Reb Hirz Levi Witwer geworden, und was für ein rechtschaffener Jude, Schriftgelehrter und reicher Mann er sei und was er für eine Haushaltung führt. Kurz, er rühmt den Mann gar sehr, wie es auch allem Anschein nach die Wahrheit war. »Der Mensch sieht in die Augen, Gott sieht in das Herz.«

Dieser Brief ist mir gerade in meine Hand gekommen, wie ich über meine Sorgen nachgedacht habe, und daß insbesondere ich eine Frau von 54 Jahren war, und daß ich meine Kinder und meine Sorge all meine Tage ausgestanden habe. Falls das so wäre, könnte ich noch mein Alter in so einer heiligen Gemeinde, wie Metz damals den Namen gehabt, in Ruhe zubringen und meiner Seele wohltun. Ich habe mich auf meine Kinder verlassen, wenn es nichts für mich wäre, sollten sie mir nicht zuraten. Also hab ich meinem Schwiegersohn Antwort geschrieben: Ich bin zehn[1] Jahre


  1. Vergleiche die obige Fußnote.
Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_260.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)