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sie den Streit verloren hätten. Das haben des Königs getreue Obersten gesehen und sind zu dem König gekommen. »Was tut der König da? Verläßt er all seine Leute, die ihre Leiber für den König und sein ganzes Geschlecht so ritterlich gewagt?« Nun sehen wir wohl, wenn nur der Abadon lebte, und wir alle ermordet wären, so wäre dem König nichts daran gelegen. Wir schwören ihm, wird er sich nicht unter das Tor stellen und mit seinem Volk gütlich reden, daß sie ihn wieder in sein Reich führen, so wird ihm viel weher geschehen, als ihm sein Lebtag geschehen ist.«

Also hat der König seinen Obersten gefolgt und sich unter die Pforten gestellt und männiglich gütlich zugeredet.

Und all des Königs Freunde und Feinde sind zum König gekommen, und er hat ihnen alles vergeben, was sie wider ihn getan haben, und also haben ihn Freund und Feind mit großem Jubelgeschrei und mit Pauken und Posaunen wieder in sein Königreich geführt, und der fromme König hat in seinem ganzen Land ausrufen lassen: »Alle, die da flüchtig geworden sind und des Königs Ungnade fürchten, sollen alle wiederum kommen und sollen zu Gnaden angenommen werden. Denn der König hat gesagt, es ist ebenso als wenn ich heute zum König gemacht worden wäre. Darum soll jedermann meine Gnade empfangen.«

Also hat der König mit Sicherheit, Friede und Ehre sein Königreich bis an sein Ende glorwürdig regiert und noch bei seinem Leben seinen Sohn Friedlieb an seiner statt zum König gesalbt und gekrönt.

Nun, hieraus ist zu sehen, daß zwar Gottes Strafe langsam kommt, aber sie bleibt doch nicht aus und Gott bezahlt alles.

Der Emunis, weil er solche Schalkheit an seiner Schwester getan, hat müssen durch die Hand seines Bruders Abadon so schändlich in seinem jungen Blut umkommen. Der König, welcher seinem Sohn Abadon viel Frevel, Mutwillen und Böstat hat nachgesehen und ihn aus großer Lieb nicht gestraft hat, hat vor demselben entlaufen müssen

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_271.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)