Seite:Glueckel 288.jpg

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gewonnen wird, kommt einen schwer an, aber man muß in allem einen Unterschied wissen, wie man sich zu verhalten hat. Denn dieses ist ein gemeines Sprichwort: »Alle Kargheit bereichert nicht und mäßige Mildigkeit verarmt nicht.« Zu seiner Zeit Geld ausgeben und zu seiner Zeit Geld sparen. Der Holländer sagt: »Cheld auszucheben in siner Tid, dat makt Profit.« Man findet leider nichtjüdische Weise, die gar viel von solchen Sachen gar schön beschreiben.

Nun ist der erste Sturm gewesen, den ich hier ausgestanden habe. Aber es ist – Gott erbarme sich – nicht dabei geblieben, denn es ist mir wie jenem ergangen, der dem Todesengel entlaufen und nach Lus gehen wollte, denn da sterben die Leute nicht. Wie er in hohem Alter unter das Tor kommt, sagt der Todesengel zu ihm: »Du bist mir da recht in meine Hand gekommen, daß ich dich töten kann. Ich habe nirgends Macht über dich gehabt als da.« Also ist es mir leider ergangen. Ich bin von Hamburg von meiner Geburtsstätte, von meinen Kindern, von meinen Freunden hinweggezogen und hatte gedacht, ich will so weit von ihnen ziehn, daß ich nichts Böses von ihnen sehen kann. Aber du gerechter Gott, du hast mir gezeigt und zeigst mir noch, daß ich vor deiner Zornrute nicht hinweglaufen kann. »Wohin soll ich gehen und wohin vor deinem Antlitz flüchten?« Und ich sehe wohl, daß ich an so einen Ort gekommen bin, wo ich wenig Freude und Seelenruhe habe, aber sehr viel Kummer und Herzeleid an mir und meinen lieben Kindern hören und sehen muß. Und trotz alledem anerkenne ich die Gerechtigkeit des Gerichtes, wie es sich gebührt, denn Gott – er sei gelobt – gibt mir die Geduld, daß ich noch bei all meinen Nöten und Unglück noch menschengleich bin, da Gottes Strafe, Gott behüte, noch viel ärger sein könnte, wie der Arzt gesagt hat in meiner Geschichte, die oben steht.

Nicht lange danach habe ich leider Gottes die böse Nachricht bekommen, daß mein Sohn Reb Löb – er ruhe in Frieden – gestorben ist. Er ist ein junger Mensch, noch keine achtundzwanzig Jahre alt gewesen.

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_288.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)