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seine Flügel genommen hat und gesagt hat, es ist besser, daß man auf mich schießt als auf meine Kinder.

Was hab ich mich gequält. Mein Mann, er ruhe in Frieden, hat sich verbergen müssen. Also sind es die Kreditoren gewahr geworden und haben drei Gerichtsdiener in sein Haus geschickt, die eine Inventur gemacht haben und den Nagel an der Wand aufgeschrieben und alles versiegelt haben, so daß sie mir nicht Speise für eine Mahlzeit gelassen haben.

Ich bin mit meiner Jungfer in der Stub gelegen, da sind die drei Gerichtsdiener auch drinnen gelegen und sie sind die Meister gewesen. Keiner durfte aus und ein gehen. Hab ich am Tag einmal weggehen wollen, haben sie mich untersucht, ob ich nicht was bei mir habe. Also haben wir etwa drei Wochen in dem miserablen Zustand gelebt. Endlich hat mein Mann – das Andenken des Gerechten zum Segen – mit seinen Kreditoren einen Akkord gemacht. Sie haben alles, was er gehabt hat, aufgeschrieben und ihm solches in der Hand gelassen, daß er eine Auktion machen soll. Es ist kein zinnerner Löffel im Hause gewesen. Alles ist aufgeschrieben worden, daß er nichts hat verhehlen können. Er wollte auch nichts verhehlen, denn er hat Gott gedankt, daß er mit seinem Leben davongekommen ist. Seine Kreditoren haben gesehen, daß er ihnen alles gegeben, was er gehabt hat; da haben sie selbst Mitleid mit ihm gehabt, denn er hat nicht die Hälfte von dem geben können, was er mit ihnen akkordiert hat. Doch sind sie friedlich mit ihm gewesen und haben ihn nicht scharf gedrängt. Sie hätten ihn wohl gefangennehmen können, aber sie haben gesehen, daß er ein ehrlicher Mann gewesen ist, und daß er ihnen, was er nur gehabt hat, hingegeben hat. Es ist ihm nicht das geringste geblieben. Er ist gar ein wackerer Mann gewesen und war in seinem Wohlstand von allen geliebt und gefürchtet. Er ist Vorsteher und Fürsprecher in der heiligen Gemeinde Metz gewesen an die dreißig Jahre und hat alles gar schön geführt, so daß er sehr beliebt war bei Juden und Nichtjuden. Aber da ihn

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_293.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)