Seite:Glueckel 300.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Damals bin ich noch im Hause von Reb Isai Willstatt gewesen, welches Haus meinem Mann – das Andenken des Gerechten gesegnet – gehört hatte, und ich vermeinte, daß ich in seinem Hause werde bleiben können, so lange ich lebte, was mir auch Reb Isai zugesagt hat. Aber als mein Mann – das Andenken des Gerechten gesegnet – gestorben ist und Reb Isai mit seiner Frau, seinen Kindern und seinen Möbeln hierher gekommen ist, habe ich gleich aus seinem Haus müssen und nicht gewußt, wohin ich soll. Bei meinem Schwiegersohn, dem Vorsteher Moses Krumbach, hab ich auch nicht sein können, weil er noch nicht gebaut hatte, wie er es jetzt mit Gottes Hilfe getan hat. Also bin ich übel dran gewesen. Endlich hat ein Familienvater mit Namen Jakob Marburg mir ein kleines Kämmerchen bauen lassen, worin ich keinen Ofen oder Schornstein gehabt hab, doch hab ich ausgemacht, daß ich in seiner Küche kochen darf und daß ich auch in seiner Winterstube sein darf. Aber wenn ich zu Bett gehen wollte oder sonst in meine Kammer gehn, hab ich müssen 22 Treppen hinaufsteigen, welches mir gar schwer angekommen ist, so daß ich die meiste Zeit – es bleibe fern von euch – unpäßlich gewesen bin. Mein erwähnter Schwiegersohn Moses ist bei mir gewesen und hat mir einen Krankenbesuch gemacht. Solches ist ungefähr im Monat Tebeth 1715 gewesen. Da hat er mir gesagt, ich sollte in sein Haus kommen, er wollte mir ein Zimmer geben, das an der Erde wäre, daß ich nicht die hohen Stiegen zu steigen brauchte. Aber ich habe mich dessen auch geweigert, denn ich habe aus verschiedenen Gründen niemals gern bei meinen Kindern sein wollen. Aber auf die Länge habe ich es nicht länger aushalten können. Es ist ein Jahr großer Teuerung gewesen und ich hab müssen eine Jungfer halten. Ich habe die Gemeinde Geld gekostet, so daß ich endlich angenommen habe, was ich mich so lange geweigert hab, und bin zu meinem Schwiegersohn, dem Vorsteher Moses Krumbach, gegangen. Solches ist ungefähr im Monat Ijar 1715 gewesen und dieses schreibe ich im Monat Tamus 1715.

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_300.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)