Seite:Goethe Götz von Berlichingen WA Bd 8 050.jpg

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da das Aug sogar in ihrer Gegenwart sich nicht selbst genug ist.

Weislingen. Du bist nicht gescheidt.

Franz. Das kann wohl sein. Das letztemal da ich sie sahe hatte ich nicht mehr Sinne als ein Trunkener. Oder vielmehr, kann ich sagen, ich fühlte in dem Augenblick, wie’s den Heiligen bei himmlischen Erscheinungen sein mag. Alle Sinne stärker, höher, vollkommener, und doch den Gebrauch von keinem.

Weislingen. Das ist seltsam.

Franz. Wie ich von dem Bischof Abschied nahm, saß sie bei ihm. Sie spielten Schach. Er war sehr gnädig, reichte mir seine Hand zu küssen, und sagte mir vieles, davon ich nichts vernahm. Denn ich sah seine Nachbarin, sie hatte ihr Auge auf’s Bret geheftet, als wenn sie einem großen Streich nachsänne. Ein feiner lauernder Zug um Mund und Wange! Ich hätt der elfenbeinerne König sein mögen. Adel und Freundlichkeit herrschten auf ihrer Stirn. Und das blendende Licht des Angesichts und des Busens, wie es von den finstern Haaren erhoben ward!

Weislingen. Du bist drüber gar zum Dichter geworden.

Franz. So fühl’ ich denn in dem Augenblick was den Dichter macht, ein volles, ganz von Einer Empfindung volles Herz! Wie der Bischof endigte und ich mich neigte, sah sie mich an, und sagte: Auch von mir einen Gruß unbekannter Weise! Sag’ ihm,

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Johann Wolfgang von Goethe: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. Weimar: Hermann Böhlau, 1889, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Goethe_G%C3%B6tz_von_Berlichingen_WA_Bd_8_050.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)