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Worten „‚die‘ Zahl 4“ könnten wir dann den bestimmten Artikel aus den Gänsefüsschen entlassen.

Aber bei diesen Deutungsversuchen haben wir vorausgesetzt, dass die bestimmten Artikel vor „Resultat“ und „Zahl 4“ wenigstens in einem der beiden Sätze nur aus Versehen gesetzt wären. Nehmen wir die Worte, wie sie sind, so kann man ihren Sinn nur als logische Gleichung auffassen, wie

„die Zahl 4 ist nichts Andres als das Resultat der additiven Verknüpfung von 3 und 1“.

Der bestimmte Artikel vor „Resultat“ ist hier logisch nur gerechtfertigt, wenn anerkannt ist, 1) dass es ein solches Resultat gibt, 2) dass es nicht mehr als eins gibt. Dann bezeichnet diese Wortverbindung einen Gegenstand und ist als Eigenname aufzufassen. Wenn unsere beiden Sätze als logische Gleichungen zu verstehen wären, so würde aus ihnen folgen, da die rechten Seiten übereinstimmen, die Zahl 4 sei ‚die‘ Zahl 4, oder, wenn man lieber will, die Zahl 4 sei nichts Anderes als ‚die‘ Zahl 4, womit der von Kerry gemachte Unterschied als hinfällig bewiesen wäre. Doch es ist hier nicht meine Aufgabe, Widersprüche in seiner Darstellung nachzuweisen. Was er unter den Worten „Gegenstand“ und „Begriff“ versteht, geht mich hier eigentlich nichts an; ich will hiermit nur meine eigne Gebrauchsweise dieser Wörter in ein helleres Licht setzen und dabei zeigen, dass sie von seiner jedenfalls abweicht, mag diese nun mit sich zusammenstimmen oder nicht.

Ich bestreite Kerry durchaus nicht das Recht, die Wörter „Gegenstand“ und „Begriff“ in seiner Weise zu gebrauchen, möchte mir aber das gleiche Recht wahren und behaupten, dass ich mit meiner Bezeichnung einen Unterschied von der höchsten Wichtigkeit gefasst habe. Der Verständigung mit dem Leser steht freilich ein eigenartiges Hinderniss im Wege, dass nämlich mit einer gewissen sprachlichen Nothwendigkeit mein Ausdruck zuweilen, ganz wörtlich genommen, den Gedanken verfehlt, indem ein Gegenstand genannt wird, wo ein Begriff gemeint ist. Ich bin mir völlig bewusst, in solchen Fällen auf ein wohlwollendes Entgegenkommen des Lesers angewiesen zu sein, welcher mit einem Körnchen Salz nicht spart.

Man denkt vielleicht, diese Schwierigkeit sei künstlich gemacht, man brauche etwas so Unhandliches wie das, was ich Begriff genannt habe, gar nicht in Betracht zu ziehen, und könne mit Kerry das Fallen eines Gegenstandes unter einen Begriff als eine Beziehung ansehen, in welcher das ein Mal als Gegenstand erscheinen könne, was ein ander Mal als Begriff auftrete.

Empfohlene Zitierweise:
: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, 16. Jahrgang. O. R. Reisland, Leipzig 1892, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gottlob_Frege,_Ueber_Begriff_und_Gegenstand,_1892.pdf/15&oldid=- (Version vom 1.10.2017)