Seite:Gottlob Frege, Ueber Begriff und Gegenstand, 1892.pdf/6

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Theil eines Prädicates bilden kann. Die Bedeutung[1] dieses Wortes kann also nie als Begriff auftreten, sondern nur als Gegenstand. Dass es etwas der Art gibt, würde auch Kerry wohl nicht bestreiten wollen. Damit wäre aber ein Unterschied zugestanden, dessen Anerkennung sehr wichtig ist, zwischen dem, was nur als Gegenstand auftreten kann, und allem Uebrigen. Und dieser Unterschied würde auch dann nicht verwischt werden, wenn es wahr wäre, was Kerry meint, dass es Begriffe gebe, welche auch Gegenstände sein können. Nun gibt es wirklich Fälle, welche diese Ansicht zu stützen scheinen. Ich habe selbst darauf hingewiesen (Grundlagen § 53 am Ende), dass ein Begriff unter einen höhern fallen könne, was jedoch nicht mit der Unterordnung eines Begriffes unter einen andern zu verwechseln sei. Kerry beruft sich hierauf nicht, sondern gibt folgendes Beispiel: „der Begriff ‚Pferd‘ ist ein leicht gewinnbarer Begriff“, und meint, der Begriff ‚Pferd‘ sei Gegenstand und zwar einer der Gegenstände, die unter den Begriff ‚leicht gewinnbarer Begriff‘ fallen. Ganz recht! Die drei Worte „der Begriff ‚Pferd‘“ bezeichnen einen Gegenstand, aber eben darum keinen Begriff, wie ich das Wort gebrauche. Dies stimmt vollkommen mit dem von mir gegebenen Kennzeichen[2] überein, wonach beim Singular der bestimmte Artikel immer auf einen Gegenstand hinweist, während der unbestimmte ein Begriffswort begleitet. Kerry meint nun zwar, dass man auf sprachliche Unterscheidungen keine logische Festsetzungen gründen könne; aber in der Weise, wie ich das thue, kann es überhaupt niemand vermeiden, der solche Festsetzungen macht, weil wir uns ohne die Sprache nicht verständigen können und daher zuletzt doch immer auf das Vertrauen angewiesen sind, der Andere verstehe die Worte, die Formen und die Satzbildung im Wesentlichen so wie wir selbst. Wie schon gesagt: ich wollte nicht definiren, sondern nur Winke geben, indem ich mich dabei auf das allgemeine deutsche Sprachgefühl berief. Es kommt mir dabei vortrefflich zu statten, dass der sprachliche Unterschied so gut mit dem sachlichen übereinstimmt. Beim unbestimmten Artikel ist wohl überhaupt keine Ausnahme von unserer Regel anzumerken, es wären denn alterthümliche Formeln, wie „Ein edler Rath“. Nicht ganz so einfach liegt die Sache beim bestimmten Artikel, besonders im Plural; aber

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: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, 16. Jahrgang. O. R. Reisland, Leipzig 1892, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gottlob_Frege,_Ueber_Begriff_und_Gegenstand,_1892.pdf/6&oldid=- (Version vom 17.8.2017)
  1. Man vgl. meinen Aufsatz über Sinn und Bedeutung, der demnächst in der Zeitschrift f. Phil. u. phil. Kritik erscheinen wird.
  2. Grundlagen § 51, § 66 Anm., § 68 Anm. S. 80.