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„Das unergründliche Schicksal,“ sprach sie, „das mich Schuldlose mit den Schuldigen versenkte, vergönnt mir, dich in jeder Nacht von der eilften bis zwölften Stunde zu sprechen. Nie darf ich aber diese bestimmte Zeit überschreiten, sonst siehst du mich nie wieder. Auch darf mich, außer dir, keines Mannes Auge erblicken, sonst schneidet eine unsichtbare Hand den Faden meines Lebens entzwei.“

Lange, lange setzte nun der Ritter seine nächtlichen Besuche fort, und immer stieg sein Liebchen aus den blauen Wellen zu ihm herauf, wenn er den blutrothen Faden zog. Sie waren beide eben so glücklich in diesen geheimnißvollen Verhältnissen, als unbesorgt, sie jemals zerstört zu sehen. Aber Neid und Mißgunst belauschten des Ritters Schritte, und ein anderer Mann hatte die Liebenden Arm in Arm am Ufer des See’s wandeln sehen. Als sich nun der Ritter in der folgenden

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Friedrich Gottschalck: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Hemmerde und Schwetschke, Halle 1814, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gottschalck_Sagen_und_Volksmaehrchen_der_Deutschen.pdf/165&oldid=- (Version vom 1.8.2018)