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geschichtliche Personen geben ihre Namen her, oder wahre Begebenheiten werden auf irgend eine Weise hinein verflochten; und wie die meisten Menschen gerne ihrer Jugend gedenken, sie als eine Zeit des Glückes und der Zufriedenheit sich vorzustellen pflegen, und so aus der Erinnerung einer besseren Vergangenheit Erheiterung und Trost in der Gegenwart hernehmen mögen, so werden auch jene Dichtungen am liebsten in eine frühere, oft dunkle, aber immer als glücklicher gepriesene Vorzeit verlegt. Endlich aber werden ungewöhnliche und abenteuerliche Verhältnisse und wunderbare Wesen und Gestalten hineingewebt, theils als Reiz und Spiel der Einbildungskraft, theils als Zeugniß von dem in der menschlichen Seele tief gegründeten Glauben an einen unergründlichen Weltzusammenhang, theils endlich als immerwährende Erinnerung, daß das Ganze doch nur menschliche Erfindung und Spiel sey.

Und auf diese Weise bildet sich die Poesie überall und zu allen Zeiten. Ihre Quelle ist die im menschlichen Gemüthe gegründete unverwüstliche Sehnsucht nach einem glücklichen, vollkommenen und befriedigenden Zustande, und sie

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Friedrich Gottschalck: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen. Hemmerde und Schwetschke, Halle 1814, Seite XVI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gottschalck_Sagen_und_Volksmaehrchen_der_Deutschen.pdf/19&oldid=- (Version vom 1.8.2018)