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Bellersen. Gestern hat sie ihn sogar im Jachthafen aufgesucht –“

„Die –!“ Frau Sicharski brachte in diesem einzigen Wörtchen klar zum Ausdruck, was sie von der Dame hielt, die ihr von den häufigen Besuchen bei Exzellenz Sarma, mit dessen Töchtern sie verkehrte, wenigstens dem Äußeren nach bekannt war.

„Ja – die, Mutting! Eine stolze Schönheit, der man ein Vermögen von einer runden Million nachsagt, das sie von ihrer früh verstorbenen Mutter geerbt hat, mithin eine etwas bessere Partie als Gertrud Sicharski, Buchhalterin bei Jakob u. Sohn, Zucker en gros, mit 140 Mark Monatsgehalt!“

Das alte Frauchen seufzte. „Nun, eine Schönheit ist Norgard ja auch keineswegs,“ suchte sie sich zu trösten. „Allerdings – Trude zeigt trotzdem viel Interesse für ihn,“ setzte sie nachdenklich hinzu. „Er hat ja auch trotz der mächtigen Nase und trotz des braunen Kinnfleckes wirklich etwas an sich, das – das –“

„Imponiert, willst Du wohl sagen, nicht wahr? Oder gut Deutsch ausgedrückt, das Achtung einflößt.“

Sie nickte eifrig. „Ja, und dabei ist es noch so ein guter Mensch! Für Dich war es doch ein großes Glück, daß er vor drei Jahren die Wohnung im Gartenhause bezog und Ihr Euch auf diese Weise kennen lerntet.“

„Mit der Bezeichnung „gut“ ist Norgards Charakter noch lange nicht genügend gewürdigt,“ meinte der Schlosser fast begeistert. „Wer hätte wohl, wie er es getan hat, einem armen, begabten Portierssohn kostenlos unterrichtet! Wer würde seine freie Zeit wie er für einen anderen so selbstlos opfern! – Und doch – ein Jammer ist’s – gerade die schätzen ihn am niedrigsten ein, auf deren Urteil es ankommt. Die Prokuristenstelle hat er nicht erhalten, obwohl er sicherlich die einzig geeignete Person für den Posten war.“

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Gräfin Trixchen. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1922, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gr%C3%A4fin_Trixchen.pdf/20&oldid=- (Version vom 1.8.2018)