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bot der Kassierer ihr in seiner selbstverständlichen Art seine Begleitung an.

„Bitte – nicht ablehnen, Fräulein Gertrud,“ fügte er hinzu. „Ich muß noch ein Stück laufen. Die Abendluft wird mir gut tun. Außerdem können Sie zu dieser Stunde nicht mehr allein nach Hause gehen, bezw. fahren. Heute finden überall die großen Protestversammlungen gegen das Vorgehen der Arbeitgeber im Baugewerbe statt, und da werden die Straßen voll von erregten Leuten sein.“ –

So wanderten die beiden denn neben einander durch die stille Vorstadt. Je mehr sie sich aber dem Hohen Tore, dem Zugang zu der eigentlichen Stadt, näherten, desto lebhafter wurde der Verkehr. Man merkte, daß in der alten Handelsmetropole heute etwas besonderes vorging. Überall standen Gruppen von Arbeitern umher, in lebhaftem Meinungsaustausch begriffen. Dazwischen patrouillierten Schutzleute auf und ab, berittene Beamte hielten an den Straßenkreuzungen, und vor einigen Restaurants staute sich die Menge, unter der sich auch viele Frauen befanden, zu dichtem Gedränge. – Trotzdem kamen die beiden unangefochten vorüber. Nur ein Mal hatten ihnen ein paar ganz junge, angetrunkene Burschen häßliche Redensarten nachgerufen, die Norgard jedoch absichtlich überhörte.

Die Unterhaltung mit dem für seine Jahre selten welterfahrenen jungen Mädchen, das neben einem gesunden Urteil ebenso viel Gemüt und Herzenstakt besaß, wirkte schließlich auf Fritz Norgard wahrhaft wohltuend. – Als er sich dann von Gertrud vor der Haustür ihrer Wohnung verabschiedete, drückte er ihr warm die Hand.

„Meine Mißstimmung ist wirklich verflogen,“ sagte er lächelnd. „Sie sind der beste Seelenarzt, Fräulein Gertrud. Und der Mann, der Sie einmal

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Walther Kabel: Gräfin Trixchen. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1922, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gr%C3%A4fin_Trixchen.pdf/54&oldid=- (Version vom 1.8.2018)