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Kein Wunder, daß er den Umschlag mit dem Aufdruck „Dresden“ zuerst öffnete. Darin befand sich nichts, als eine Ansichtskarte der Brühlschen Terrasse, auf der die Worte „Herzliche Grüße – Ihre Trix“ standen. – Trotzdem, wie freudig leuchteten seine Augen beim Anblick der bekannten Handschrift auf. Wie jubelte es in seinem Innern, daß sein kleiner Schutzengel in versteckter Zärtlichkeit „Ihre Trix“ den kurzen Gruß unterzeichnet hatte.

Erst nach einer ganzen Weile widmete er sich auch dem Briefe Fritz Norgards, in dem dieser ihm seine glückliche Ankunft in New York anzeigte und kurz die leider sehr stürmische Überfahrt schilderte. -

Wochen vergingen dann wieder. Gerhard, der jetzt als freier Mann seinen eigenen Zielen nachstreben konnte, sah schon mit einer gewissen Ungeduld dem Tage entgegen, wo er vor der Regierungskommission das Examen ablegen sollte, das ihm die Berechtigung zum einjährigen Militärdienst geben würde. Mit seinen 23 Jahren war er der älteste unter den zwölf Prüflingen, aber auch, wie sich dann am entscheidenden Tage herausstellte, der am besten vorbereitete. Er bestand mit der besten Note.

Bis in den Nachmittag hatte sich das mündliche Examen ausgedehnt. Und so kam er erst nach sechs Uhr nach Hause, wo Mutter und Schwester ihn schon sehnsüchtig erwarteten. Frau Sicharski weinte Freudentränen, als Gerhard ihr strahlend das günstige Resultat mitteilte. Gertrud schloß den Bruder nur stumm in die Arme. Sie war in der letzten Zeit überhaupt auffallend blaß geworden. Ein geheimer Kummer schien an ihrem Herzen zu nagen, und ihre Augen zeigten oft einen feuchten Schimmer wie von aufsteigenden Tränen, ohne daß für ihre Traurigkeit eine direkte Ursache vorhanden gewesen wäre.

Dieser Tag sollte für den strebsamen jungen

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Walther Kabel: Gräfin Trixchen. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1922, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gr%C3%A4fin_Trixchen.pdf/63&oldid=- (Version vom 1.8.2018)