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beinahe herzliche Freundschaft. In der bescheidenen Wohnung des jungen Paares habe ich mich stets sehr wohl gefühlt, zumal Norgards Gattin zu jenen seltenen Frauen gehörte, die einen undefinierbaren Hauch von Behaglichkeit und reiner Lebensfreude um sich verbreiten. Fast ein und ein halbes Jahr währte dieser innige Verkehr, der mir manche genußreiche Stunde vermittelte. Dann kam die Katastrophe. Eines Tages wurde bei einer genauen Kassenrevision festgestellt, daß Ernst Norgard seit längerer Zeit umfangreiche, sehr geschickt verdeckte Unterschlagungen verübt hatte. Die Fehlbeträge beliefen sich auf etwa 300 000 Mark. Der ungetreue Kassierer legte dann nach seiner Verhaftung ein umfassendes Geständnis ab. Er hatte, lediglich um zu Reichtum zu gelangen und um allerhand phantastische Pläne mit Hilfe dieses Geldes ausführen zu können, an der Börse spekuliert, leider stets mit Verlust. Vier Jahre daraus starb er im Zuchthaus. Selbst seine bisherige Unbescholtenheit hatte ihn nicht, da schwere Urkundenfälschungen neben den vielfachen Unterschlagungen vorlagen, vor dieser schwersten der Freiheitsstrafen retten können. Die völlig gebrochene junge Frau zog mit ihrem einzigen Kinde damals sofort von Hamburg fort. Erst vierzehn Jahre später erhielt ich von ihr aus einem kleinen Nest an der polnischen Grenze einen Brief, in dem sie mich bat, ihren Sohn, der gerade das Gymnasium absolviert hatte, bei mir einzustellen, da alle ihre Versuche, ihm anderswo einen Lehrlings- oder anderen Posten zu besorgen, an der Vergangenheit seines Vaters gescheitert wären. Im Gedanken an die Hamburger Zeit schrieb ich, nachdem ich den anfänglichen Widerstand meines Geschäftsteilhabers überwunden hatte, eine freundlich gehaltene, bejahende Antwort. So trat Fritz Norgard, der äußerlich vollständig seinem unglücklichen

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Walther Kabel: Gräfin Trixchen. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1922, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gr%C3%A4fin_Trixchen.pdf/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)