Seite:Graesse Sagenschatz Sachsens II 019.jpg

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einer Wirthin und legte sich ohne Weiteres in ein schönes Gastbett. Sie aber trieb ihn heraus, er aber stahl ihr das Bett und verkaufte es. Ein anderes Mal sah er, daß eine Schenkwirthin gebratene Tauben am Spieße stecken hatte, als sie nun aus der Küche abgerufen ward, huschte er hinein, nahm sie mit sich und aß sie ungescheuet in der Stube am Tische auf. Wie nun die Frau das sah und ihr Eigenthum vermißte, fragte sie ihn, wie er zu den Tauben komme, und er antwortete: „wie kömmt der Tag zum Winde (sintemal es gerade sehr stürmte)?“ Damit nahm er die andere gestohlene Taube beim Kopfe und fraß sie auch auf. Endlich kam er einst in ein Dorf, wo ein geiziger Pfarrer wohnte, der Niemandem etwas gab, sondern alle Ansprechenden entweder selbst in einem dicken Bauernpelz vermummt, oder durch seine Leute oder mittelst seines Kettenhundes forttrieb. Bei diesem trug er sich so an, als gehe er auf Freiersfüßen und wolle seine Tochter ehelichen. Da nahm man ihn mit Freuden auf, der Vater ließ etliche Tauben zurichten und braten und die Mutter lief etliche Male vom Feuer weg und ließ die Küche leer stehen. Nun zog er schnell die mitgebrachten jungen abgerupften Raben aus dem Räntzel, lief zum Heerde, spieste sie an und so wurden sie zusammen fertig. Als sie aber aufgetischt wurden, da partirte er letztere auf den Teller des Pfarrers und seiner Frau, und kehrte es also, daß die rechten Tauben auf den seinigen kamen, dann aber machte er sich, nachdem sein Appetit gestillt war, aus dem Staube.

Einst fragte man ihn, warum jetzt Alles so theuer sei, und er antwortete, es gebe jetzt mehr Tribulirer und Flegel als sonst, besonders junge Drescher, die Procuratoren hießen und sich für ihre Dienste allemal zuvor bezahlt machten, also, daß wenig in den Scheunen bliebe. Das hörte zufällig ein Advokat, der dabei stand und sprach: „ganz recht, mein Knecht!“ und indem er ihn bei der Hand faßte, sagte er: „ich greife nach dem Flegel und marschire auf die Tenne in Willens, den Rest vollends auszuklopfen und darauf zu

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_II_019.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)